Adveniat und CELAM überprüfen Pastoralkonzept für Lateinamerika

Voneinander Glauben lernen

Die Kirchenversammlung von Aparecida sollte 2007 den Startschuss für ein neues Pastoralkonzept in Lateinamerika geben; den Auftakt zu einer "kontinentalen Mission". Wachsende soziale Ungerechtigkeiten, Priestermangel, der Aufstieg von evangelikalen Gruppen und Sekten, Landkonflikte und Verstädterung: Herausforderungen für die katholische Kirche auf ihrem "stärksten" Kontinent Lateinamerika gibt es genügend.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Knapp fünf Jahre danach sahen das Bischöfliche Hilfswerk Adveniat und der Lateinamerikanische Bischofsrat CELAM die Zeit für eine erste Bilanz gekommen: Liegen wir mit unseren pastoralen Schwerpunkten richtig? Welche Ergebnisse haben neue Ideen, Neugründungen, Fördermaßnahmen und Projekte bislang gebracht? Zum 50. Jahrestag der Gründung von Adveniat versammelten sich daher bis Samstag Experten, Laien wie Bischöfe, aus Lateinamerika und aus Deutschland zu einem Kongress in dem brasilianischen Wallfahrtsort.



"Manche meinen, Adveniat solle Kirchen für Lateinamerika bauen und fertig", sagt Christian Frevel, Abteilungsleiter Kommunikation. Doch das in Essen ansässige Hilfswerk versteht seinen Auftrag viel weiter

- und es hat dafür einen hochrangigen Gewährsmann: "Papst Benedikt XVI. hat uns in Aparecida einen klaren Auftrag erteilt", so Frevel: "Erkennt in den Armen das Antlitz Christi" - in den Obdachlosen, den Aidskranken und Gefangenen. Das sei keine Streichung der "Option für die Armen" gewesen, sondern sogar eine Verstärkung.



Die Unterstützung einer "ganzheitlichen Pastoral" wünschte sich der Papst in einem Grußwort zum 50-Jahre-Jubiläum von Adveniat. Einer ganzheitlichen Pastoral aus Katechese, Caritas und gemeinschaftlichem Leben, wie es sie in Deutschland kaum mehr gibt. Dort ist die Pfarrcaritas im Niedergang, der Bereich der Caritas fast komplett auf professionelle Träger "outgesourct". Anders in Lateinamerika, wo Gemeinde vielfach ein Ort des gemeinsamen Lebens, Lernens und Teilens ist. Hier gibt es die sogenannten "kleinen Gruppen" unterhalb der Struktur der Großpfarrei; die Hauskirchen, für die sich sieben bis zehn Familien zusammenschließen, um zu Hause Gottesdienst zu feiern. Hier gibt es kirchliche Basisgemeinden, Bibelkreise und junge charismatische Gemeinschaften.



In Menschen statt in Steine investieren

Solche kleinen Gruppen unterhalb von "Strukturen" zu fördern, ist ein Ansatz von Aparecida 2007 - und von Adveniat. "In Menschen statt in Steine zu investieren", wie es Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck ausdrückt. Der CELAM wählte drei prominente Wissenschaftler aus, um beim Kongress die neuen pastoralen Entwicklungen in wirtschaftlicher, sozialer und religiöser Sicht auszuloten. Etwa: Mit welchen der evangelikalen Gruppen können wir ein ökumenisches Gespräch und mögliche Kooperationen beginnen, und welche sind daran gänzlich uninteressiert?



Oder die Erfahrungen mit Charismatischen Gemeinschaften: In der Erzdiözese Sao Paulo, dem Ort der Adveniat-Aktionseröffnung an diesem Sonntag, kann Kardinal Odilo Scherer von gleich mehreren hoffnungsvollen Initiativen berichten, die so gar nicht zum europäischen Bild von Charismatischen Gemeinschaften, etwa dem Neokatechumenalen Weg, passen wollen. Die "Alianca da Misericordia", die enorm viele Jugendliche erreicht und auch in der Obdachlosen-Pastoral tätig ist. Die "Anjos da Vida" (Engel des Lebens), die Kleiderkammern und Alphabetisierungsprojekte betreiben. Oder die "Cristoteca", eine Diskothek, in der am Wochenende 2.000 Jugendliche "normal" abtanzen, um dann um Mitternacht gemeinsam vor dem ausgesetzten Allerheiligsten zu beten.



"Solche Dinge sind bei uns ganz undenkbar", weiß auch Adveniat-Mitarbeiter Frevel. Aber beim "weltkirchlichen Lernen", das der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, in Aparecida unterstrich, gehe es nicht um eine Eins-zu-eins-Übertragung, sondern um einen Erfahrungsaustausch. Und wenn Bischof Franz-Josef Bode, der Vorsitzende der Pastoralkommission der deutschen Bischöfe, jüngst begeistert über seine Erfahrungen mit dem Laienengagement in der Pastoral in Honduras berichtete, dann ist "weltkirchliches Lernen" im Gang.