Adveniat über die "Homebase" der Panama Papers

"Skandalöse soziale Ungleichheit"

Während die Auswertung der so genannten Panama Papers immer neue Details ans Licht bringt, blickt das katholische Hilfswerk Adveniat auf die Situation der Ausgegrenzten Panamas: Hunderttausende leben in extremer Armut.

Panama: Indigene Bevölkerung von Armut bedroht / © Alejandro Bolivar (dpa)
Panama: Indigene Bevölkerung von Armut bedroht / © Alejandro Bolivar ( dpa )

domradio.de: Die Skyline von Panama-Stadt ist die einer Finanzmetropole - im Volksmund heißt die Hauptstadt Panamas auch "Klein-Manhattan". Für lateinamerikanische Verhältnisse ist Panama ein reiches Land. Ein Reichtum, der einigermaßen gerecht verteilt ist?

Inés Klissenbauer (Mittelamerika-Referentin bei Adveniat): Wenn man in Panama-Stadt landet, dann hat man tatsächlich fast das Gefühl, man käme nach New York. Panama hat in der Region Zentralamerika den größten Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren erlebt. Und dennoch kann man perplex sein über die extreme Ungleichheit, die im Land vorherrscht – und das bei deutlich verbesserten Wirtschaftsdaten.   

domradio.de: Und weil das so ist, unterstützt Adveniat auch heute noch Projekte in Panama. Welchen Schwerpunkt haben diese Projekte?

Klissenbauer: Adveniat konzentriert sich hauptsächlich auf die Provinzen, die in der Mehrzahl von Indigenen bevölkert werden. Panama ist wirklich ein wunderschönes und kulturell sehr reiches Land. Es hat eine indigene Bevölkerung von circa acht Prozent sowie eine vierzehnprozentige afroamerikanische Bevölkerung. Aber die Gebiete, in denen diese Menschen leben und auch ein Großteil der armen Landbevölkerung sind von Entwicklung nahezu ausgeschlossen. Wir haben tatsächlich ein Riesengefälle zwischen dem Leben in Panama-Stadt, das die neureiche Mittelschicht und die Oberschicht führen, und dem Leben der Indigenen und Afro-Panamaer in der Provinz. Und von daher konzentriert sich auch unsere Förderung speziell auf diese Region und die Arbeit mit diesen sehr benachteiligten Bevölkerungsgruppen.

domradio.de: Bekommen die Armen und Ausgegrenzten denn etwas davon mit, dass ihr Land jetzt als Steueroase in der globalen Kritik steht?

Klissenbauer: Natürlich sind die Panama Papers jeden Tag Thema in den Nachrichten, natürlich bekommen die Menschen das mit. Aber es hat kaum Auswirkungen auf ihr alltägliches Leben. Denn ob Panama gerade ein bisschen reicher geworden ist oder zum Beispiel in dieser aktuellen Krise in Verruf geraten ist, das tangiert das alltägliche Leben vieler armer Menschen nicht. Denn trotz des Wirtschaftswachstums gibt es gerade in den ländlichen Gebieten massive Probleme im Gesundheitsbereich, im Ernährungsbereich und in der Bildung. 96 Prozent der Indigenen im Land leben in Armut – davon der überwiegende Teil sogar in extremer Armut. Und von daher steht Panama auch auf der Liste der Länder mit der größten sozialen Ungleichheit überhaupt.  

domradio.de: Schauen wir auf den Präsidenten Panamas, Juan Carlos Varela. Er wurde nach einer Saubermann-Kampagne gewählt - nach Versprechungen, mehr für die Armen im Land und gegen die Korruption zu tun. Hat er schon irgendetwas geleistet, um solche Versprechen einzulösen?

Klissenbauer: In der Tat ist Varela auch gewählt worden wegen seiner Ankündigungen, die soziale Lage zu verbessern und die Korruption zu bekämpfen. Dazu muss man wissen, dass gegen seinen Amtsvorgänger ein Prozess wegen Korruption läuft. Varela hat während der Wahlkampagne Entwicklungsprogramme vor allem für die indigenen Gebiete versprochen und auch, gegen die wachsende Kriminalität vorzugehen. Und er wollte Inklusion fördern. Im Moment aber zeigen Umfragewerte, dass etwa die Hälfte der panamaischen Bevölkerung nicht mehr hinter ihm steht, sondern ihn und sein Regierungskabinett als sehr negativ beurteilt. Das scheint mir doch eine klare Aussage zur Bewertung seiner Regierungsgeschäfte.      

domradio.de: Hat das auch schon etwas mit den aktuellen Enthüllungen zu tun – also, bringen die Panama Papers Präsident Varela jetzt in die Bredouille?

Klissenbauer: Das kann ich im Moment schwer einschätzen. Die Umfragen, auf die ich mich beziehe, wurden kurz vor dem Skandal um die Panama Papers erhoben. Von daher ist es gut möglich, dass sein Ansehen jetzt noch weiter schwindet. Natürlich verwehren sich auch viele, die vom Aufschwung Panamas profitiert haben, dagegen, dass ihr Land jetzt generell unter Korruptions- und Finanzmissbrauchsverdacht gerät.    

domradio.de: Hat die katholische Kirche Panamas sich in irgendeiner Form zu den Panama Papers geäußert?

Klissenbauer: Bislang sind mir keine Meldungen der Bischofskonferenz Panamas dazu bekannt. Es gibt bisher kein offizielles Kommuniqué, auch vom Rat der  lateinamerikanischen Bischofskonferenzen CELAM nicht. Aber auch wenn der sich noch nicht konkret zu den Panama Papers geäußert hat, so hat er doch in letzter Zeit wiederholt auf die soziale Ungleichheit hingewiesen. Er hat beklagt, dass Lateinamerika der Kontinent mit der größten sozialen Ungleichheit weltweit ist – und dass das ein Skandal ist.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Inés Klissenbauer, Mittelamerika-Referentin bei Adveniat (Adveniat)
Inés Klissenbauer, Mittelamerika-Referentin bei Adveniat / ( Adveniat )
Quelle:
DR