Adveniat-Referent zum Tod von Hugo Chavez

Angst vor Unruhen in Venezuela

Der verstorbene Präsident Hugo Chávez hinterlässt ein tief gespaltenes Land. Venezuelas Bischofskonferenz ruft das Volk zur Ruhe auf, berichtet Lateinamerikareferent Rainer Wilhelm vom Hilfswerk Adveniat.

 (DR)

domradio.de: Was bedeutet der Tod von Chavez für die Menschen im Land?

Wilhelm: Die Menschen sind auf die Straßen gelaufen, sind zu dem Militärkrankenhaus gelaufen und haben dort demonstriert und haben gesagt: Wir sind Chavez, wir sind das Volk und Du wirst weiter leben. Das ist eine sehr emotionale Sache gewesen, das zeigt natürlich auch den Stellenwert den Hugo Chavez in seinem Volk hatte.

domradio.de: Was haben die Menschen an seiner Politik geschätzt?

Wilhelm: Ganz besonders den Politikwechsel. Früher machte in Venezuela vorallem eine Riege von Personen, die in der Regel sehr viel Geld hatte, nur Politik für sich selber und sah das Volk nur für die Stimmen und für die Wahlen als wichtig an. Mit Chavez ist da ein Politikwechsel passiert, nämlich im Mittelpunkt seiner Politik standen die Armen, die Armen waren nicht nur das Objekt der Politik, sondern das Subjekt.

domradio.de: Was hat er zum Beispiel für die Armen getan?

Wilhelm: Er hat sie wahrgenommen. Früher war es so, dass man sie quasi übersehen hatte. Er hat für sie etwas getan. Er hat die Gelder, die über das Erdöl in das Land hineingesprudelt sind, für die Armutsbekämpfung eingesetzt, also für Bildung, für Gesundheit. Die früheren Regierungen haben sich eher nur bereichert, diesmal ist es so, dass Chavez das Geld für sie eingesetzt hat und ihnen eine Wertigkeit gegeben hat, auch wenn sich im Nachhinein herausstellte, - und das ist etwas die Kritik an Chavez - dass dieses Geld nicht so angekommen ist und dass sich an der Situation der armen Menschen nicht so viel geändert hat, aber sie sind wahrgenommen worden und sie haben Würde bekommen. 

domradio.de: Welche Bedeutung hatte den Hugo Chavez für ganz Lateinamerika?

Wilhelm: Er sah sich in der direkten Nachfolge von Simon Bolivar, dem großen Befreier Lateinamerikas und hat über die Politik, die er gemacht hat, weg von der Vormachtstellung der USA hin zu einem Vereinigten Lateinamerika gewirkt.

domradio.de: Es heißt, dass über der Hauptstadt eine große Anspannung liegt. Die Polizei hat ihre Präsenz verstärkt, die Streitkräfte sollen die Sicherheit garantieren. Warum diese Vorkehrungen?

Wilhelm: Die Gewalt in Venezuela ist immens hoch und insofern ist es schon ganz wichtig, wenn so viele Menschen auf den Straßen sind, dass man für Ruhe sorgt. Auf der anderen Seite ist das Volk auch sehr polarisiert. Chavez hat die Menschen gespalten, er war ja selber Militär und war immer bei den Soldaten und für die Militärs ist wichtig, den Vorgesetzten extremen Gehorsam zu leisten. Das hat Chavez in die Politik übertragen, wer nicht für mich ist, ist gegen mich, ist mein Feind und der muss bekämpft werden und diese Polarisierung ist durchgezogen bis in die Gesellschaft. Die Bischofskonferenz hat genauso wie auch die Opposition dazu aufgerufen, Ruhe zu bewahren, jetzt gemeinsam zu trauern, ein Volk zu sein und für Chavez zu beten.

domradio.de: Gibt es einen Nachfolger?

Wilhelm: Nicolas Maduro ist von Chavez ins Gespräch gebracht worden. Er hat gesagt, wenn mir etwas passiert, dann soll es Nicolas Maduro werden. Ich denke, da hat er sehr stark vorgebaut, wenn die Wahlen in 30 Tagen stattfinden werden, dann rechne ich persönlich Nicolas Maduro sehr starke Chancen ein.

domradio.de: Das heißt die Menschen erwarten von dem Nachfolger, dass er die politische Linie von Chavez weiterführt?

Wilhelm: Die politische Linie wird sicherlich von Maduro weitergeführt, das ist ziemlich eindeutig, denn er hat sich in dieser Richtung schon geäußert.

Das Interview führte Monika Weiß (domradio.de)