ADVENIAT-Referent im domradio-Interview zur Abstimmung in Bolivien

"Das Land bleibt gespalten"

Boliviens neue Verfassung wird auch nach dem Referendum für Unruhe sorgen. Die Opposition deutete bereits an, vorgesehene Gesetze scheitern lassen zu wollen. "Das Land bleibt gespalten", glaubt auch Martin Hagenmaier, Bolivien-Referent bem Lateinamerika-Hilfswerk der Katholiken in Deutschland ADVENIAT. Im domradio sagt er eine stärker werdende Opposition voraus.

 (DR)

domradio: Im Parlament konnte sich Evo Morales mit seinen Plänen für eine neue Verfassung nicht durchsetzen, jetzt hat er in einem Referendum 60 Prozent der Bevölkerung für die neue Verfassung gewinnen können - ist das ein überzeugendes Ergebnis?
Hagenmaier: Das lässt durchaus Zweifel zu. Man würde erwarten, wenn eine neue Verfassung abgestimmt wird, dass sie zumindest zwei Drittel der Bevölkerung hinter sich haben sollte. An diesen 60 Prozent kann man schon sehen: 40 Prozent haben dagegen gestimmt, es gibt eine sehr starke Opposition im Land. Und diese Opposition hat sich auch nicht von der nach Beratungen noch veränderten Verfassung überzeugen lassen.

domradio: Kann diese neue Verfassung das seit langem gespaltene Bolivien wieder vereinen?
Hagenmaier: Das muss man bezweifeln. Die Opposition hat zum Teil schon angekündigt, dass sie sich nicht verpflichtet fühlt, sich an der neuen Verfassung zu orientieren. Gleichzeitig wird sich Präsident Morales natürlich an dieser Verfassung orientieren. D.h. die neuen Gesetze, die die Regierung dann festlegen wird, werden sich an der neuen Verfassung orientieren. Und das wird sicher dann auch wieder eine neue Opposition provozieren.

domradio: Die Gegner von Evo Morales sind zahlreich - unter anderem gehören dazu auch die christlichen Kirchen. Was genau kritisieren sie?
Hagenmaier: Die christlichen Kirchen haben Bedenken bei einzelnen Punkten. Da ist vor allem das Thema der Abtreibung zu nennen. Aber auch die Frage der homosexuellen Eheschließung. Die traditionellen Kirchen haben vor allem Probleme damit, dass alle Glaubensrichtungen und Weltanschauungen in der neuen Verfassung auf das gleiche Niveau gestellt werden. Das heißt die bisherige in der Verfassung verankerte Anerkennung der christlichen und katholischen Kirche wird wegfallen. Bis jetzt genießen die Kirchen einen gesetzlichen Schutz, der dann nicht mehr da sein wird.

domradio: Welche Auswirkungen kann die neue Verfassung auf die Amtszeit von Morales haben?
Hagenmaier: Eine unbegrenzte Amtszeit - wie ursprünglich mal möglich - ist nach der neuen Verfassung nicht mehr möglich. Was möglich sein wird, ist eine Wiederwahl. Und die wird Morales noch in diesem Jahr anstreben.

domradio: Die Verfassung stärkt also grundsätzlich Morales den Rücken?
Hagenmaier: Morales hat die Abstimmung über die Verfassung gleichzeitig zu einer Abstimmung über sein Programm gemacht. Und da fühlt er sich nun bestätigt. Auch wenn die Zustimmung wieder gesunken ist.


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