Adveniat: Lateinamerikaner hoffen auf Papst aus der Heimat

"Er muss sehr weltoffen sein"

Oder doch ein Lateinamerikaner? Odilo Scherer,  der Erzbischof von Sao Paulo, wird nicht nur in Medien Brasiliens als "papabile" gehandelt. Eine Einschätzung von Adveniat-Geschäftsführer Prälat Bernd Klaschka im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Wenn Sie die katholische Kirche in Lateinamerika charakterisieren müssten: Was macht die Kirche im Vergleich zu der europäischen aus?

Klaschka: Die Kirche in Lateinamerika ist genau so vielfältig wie die Kirche in den verschiedenen Ländern Europas. Aber in dieser Vielfalt hat sie eines gemeinsam: die sogenannte Volksreligiosität. Der Lateinamerikaner ist im tiefsten seines Herzens religiös, d.h. Gott spielt in seinem Leben eine wichtige Rolle. In dieser Volksreligiosität - in Wallfahrten, in Fiestas, in der Heiligenverehrung - kommt dies ganz besonders zum Ausdruck. Spontanität ist ein weiteres wichtiges Merkmal für die Kirche in Lateinamerika. Außerdem die vielfältigen Formen des religiösen Lebens, die sich nicht nur auf die Eucharistie beziehen - wie beispielsweise Andachten oder die geschichtlichen Bräuche. Die Kirche in Lateinamerika ist spontaner als die Kirche in Europa, und sie geht mehr an das Gefühl und an das Herz der Menschen und richtet sich nicht so sehr auf den Verstand und den Intellekt.

domradio.de: Wie positioniert sich die lateinamerikanische Kirche in ihrem Verhältnis zu Rom?

Klaschka: Die lateinamerikanische Kirche positioniert sich hier positiv, allerdings gibt es hier auch Unterschiede: So ist die Kirche in Mexiko sehr intensiv mit Rom verbunden, was auch mit der Geschichte zusammenhängt. Die Kirche in Brasilien ist ihren eigenen Weg gegangen, immer in Gemeinschaft mit Rom, stellt aber auch öfter kritische Anfragen nach Rom, was die pastoralen Anforderungen betrifft. Insgesamt versucht die Kirche in Lateinamerika gegenüber der in Europa und Rom ihren eigenen Weg zu gehen, der die Eigenheiten der Christen in Lateinamerika auch ernst nimmt. Das zeigt sich insbesondere auch an den fünf Bischofsversammlungen, die die Kirche in Lateinamerika im Laufe der letzten 60 Jahre durchgeführt hat.

domradio.de: Evangelikale Gemeinden und Pfingstkirchen haben schon seit Jahren großen Zulauf. Was kann die katholische Kirche hier dagegen setzen?

Klaschka: Auf der letzten Bischofsversammlung hat die katholische Kirche in Lateinamerika ein Instrument entwickelt, um die Katholiken zu stärken, sprich: sie in ihrem Glauben zu festigen und den Glauben für das Leben fruchtbar zu machen. In Lateinamerika findet im Augenblick eine sogenannte kontinentale Mission statt. Wir dürfen uns das nicht so vorstellen, dass es einen bestimmten Anfangstermin und ein bestimmtes Enddatum gibt, sondern in jeder Ortskirche, in jeder Diözese, in jeder Pfarrei ist der Zugang zu den Menschen wieder neu Programm geworden. Und ich halte das für ein gutes Instrument, um die Menschen im Glauben zu stärken. Hierbei gilt es, mit den evangelikalen Gruppierungen im Dialog zu sein. Denn wir können auch voneinander lernen.

domradio.de: Schon vor dem letzten Konklave hieß es: Ein neuer Pontifex könne gut aus Lateinamerika kommen. Hoffen die Christen jetzt wieder darauf?

Klaschka: Viele Menschen hoffen, dass der neue Papst aus Lateinamerika kommt. Sie verbinden damit die Erwartung, dass er sie gut in ihren Anliegen versteht und diese Anliegen auch aufnimmt.

domradio.de: Welche Eigenschaften sollte ein Papst haben, damit er die Christen in Lateinamerika begeistert?

Klaschka: Er muss sehr weltoffen sein, er muss die unterschiedlichen Erfahrungen, die in der Welt gemacht werden, ernst nehmen und auch mit der Gesamtkirche Wege suchen, dass diese Glaubenserfahrungen auch Einlass finden in die theologische Reflektion und die Entscheidungen der Kirche. Auf der anderen Seite ist es für den neuen Papst ganz wichtig, die Nöte und Sorgen der Menschen zu verstehen und als Kirche eine Antwort darauf zu finden. Und das geht am besten im Dialog mit der Welt und im Dialog mit den Menschen, die sich dann auch einbringen. Nur so können wir voneinander lernen und miteinander das Evangelium in unserer Zeit leben.

Das Gespräch führte Tobias Fricke.

 

Prälat Bernd Klaschka (Adveniat)
Quelle:
DR