Adveniat gratuliert Papst Franziskus

Ein Papst, der die Armen kennt

In Argentinien ist die Freude über den neuen Papst groß, auch beim katholischen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat herrscht Jubelstimmung. Franziskus werde sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen.

Im Hafengebiet von Buenos Aires (Adveniat)
Im Hafengebiet von Buenos Aires / ( Adveniat )

domradio.de: Was geht in Ihnen vor, wie sind Ihre Gefühle an diesem bedeutsamen Tag?
Frevel: Das ist ein sehr historischer Abend. Erstmals ist ein Lateinamerikaner zum Papst gewählt worden. Nun muss man sagen, er hat ja auch italienische Wurzeln, das schlägt wieder einen Bogen zur Geschichte des pontifikalen Amtes, aber er ist ein Mensch, der die Anliegen eines großen Teils der Katholiken weltweit kennt, denn die wohnen ja in Lateinamerika. Und er kennt insbesondere die Nöte und Sorgen der Armen und Benachteiligten. Das muss an dieser Stelle gleich am Anfang sagen, und er hat das ja mit seiner Namenswahl Franziskus herausgestellt.

domradio.de: Wenn Sie noch einmal auf den ehemaligen Kardinal Bergoglio schauen, was ist der für ein Mensch?
Frevel: Er ist ein Mensch, der zum einen eine sehr klare politische Position zur Armutsproblematik in Lateinamerika bezogen hat. Er hat sich sehr stark in Lateinamerika für soziale Gerechtigkeit eingesetzt, er hat gegen Korruption und Misswirtschaft gesprochen und hat sich damit nicht immer Freunde gemacht. Und er hat sich insbesondere – das ist für Jesuiten auch nicht außergewöhnlich – für die Förderung von Bildung und Erziehung eingesetzt, und zwar in einer Art und Weise, dass er sich nie selbst in den Vordergrund gestellt hat, sondern immer in einer sehr kollegialen, ja brüderlichen Art und Weise mit seinen Amtsbrüdern in der Bischofskonferenz von Argentinien zusammengearbeitet hat. Er hat nie affektiert oder gar von oben herab gehandelt, sondern er ist jemand, der gern im Team arbeitet, der sich nicht aufdrängt und in einer sehr bescheidenen Art und Weise auftritt. Ich hatte das Glück, ihn 2007 bei der V. Generalversammlung der Lateinamerikanischen Bischöfe in Aparecida persönlich näher kennenzulernen. Wir haben dort einige Wochen während dieser großen Versammlung des lateinamerikanischen Episkopats in demselben Hotel gewohnt, und da gab es eine ganze Reihe von Möglichkeiten und Gelegenheiten, miteinander zu reden. Und ich meine, mich auch richtig zu erinnern, dass er sogar einen Teil seines Studiums in Deutschland absolviert hat, nämlich die Vorbereitung auf seine Doktorarbeit.

domradio.de: Wie ist sein Verhältnis zu seinen Landsleuten in Argentinien? Ist er in seinem Heimatland angesehen?
Frevel: Er ist zum einen angesehen als jemand Unaffektiertes, einer der bei den Menschen lebt, der oft genug mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie dem Bus unterwegs ist, der U-Bahn fährt und so etwas. Also jemand, der bescheiden lebt, er ist niemand, dem man einen zu hohen Lebensstil, weg von den Menschen, vorwerfen könnte. Und insofern ist er bei den Menschen sehr, sehr akzeptiert, insbesondere bei den ärmeren Bevölkerungsschichten. Und gerade Argentinien gehört ja zu den Ländern, in denen die Schere zwischen Reich und Arm besonders auseinanderklafft.

domradio.de: Viele Experten haben vor der Papstwahl gesagt, es bräuchte jetzt einen Papst, der auch die Strukturen des Vatikans durchschauen, ja vielleicht sogar ändern kann. Kann der neue Papst das?
Frevel: Ich glaube, er kennt den Vatikan gut und er weiß auch, wie man mit ihm umgehen muss. Die lateinamerikanischen Bischöfe haben ihn bei dieser V. Generalversammlung, von der ich gerade sprach, auf der das wichtige Schlussdokument von 2007 verfasst wurde, zum Leiter der Redaktionsgruppe für dieses Schlussdokument gewählt, also zu demjenigen, der zusammen mit dem Kardinal Oscar Rodriguez von Honduras dieses Dokument zusammenstellte. Und die beiden hatten das Vertrauen der Bischöfe in Lateinamerika, die haben den beiden gesagt: ‚Ihr macht die Schlussredaktion‘, und die haben dafür gesorgt, dass dieses Dokument so herüberkam, wie es schließlich geschah. Das war eine absolute Vertrauensposition ‑ und gleichzeitig eine Position, in der man sich gegen gewisse Kräfte im Vatikan, die damals vielleicht noch stärker waren als heute, durchsetzen musste. Und das hat er in einer guten Art und Weise hinbekommen.

domradio.de: Was kann er aus seiner Erfahrung als Erzbischof von Buenos Aires, als argentinischer Kardinal, in das Papstamt und nach Rom mitbringen?
Frevel: Erst einmal eine Erfahrung von Weltkirche. Das muss man ja in Buenos Aires immer haben, die Einwohner von Buenos Aires nennen sich ja Porteños, also die, "die aus dem Hafen kommen", weil es fast alles Einwanderer sind, er selbst ist ja Kind einer italienischen Einwandererfamilie, wie so viele andere in Buenos Aires, die aus aller Welt dort hingekommen sind. Das ist ein sehr multinationales Gemisch, die sich aber trotzdem alle dazu bekennen, Argentinier zu sein, das merkt man ja auch beim Fußball dort, wie groß die Verbundenheit zu ihrem neuen Vaterland ist. Also wie gesagt: Weltkirche ist für ihn nichts Neues, und er ist jemand, der nicht mit Abstand zu dieser Welt lebt, er ist ja nicht immer schon Priester gewesen, sondern er hat ja vorher eine andere Ausbildung gemacht: Nachdem er den Jesuiten beitrat, hat er ein naturwissenschaftliches Studium durchlaufen; er ist diplomierter Chemieingenieur und ist eigentlich erst 1969, also relativ spät, im Alter von 33 Jahren dann zum Priester geweiht worden. Also er kennt die Welt auch aus einer anderen Perspektive heraus.

 

Quelle:
DR