Adveniat feiert Geburtstag mit Slumbewohnern in Sao Paulo

Eine farbige Feier

Die Bewohner der Favela Cachoeirinha warten erst einmal ab, während sich auf dem behelfsmäßigen Fußballplatz schon die TV-Ingenieure aus Deutschland, Bischöfe der Weltkirche und die Mitarbeiter von Adveniat nervös tummeln. In Sao Paulo ist Geburtstagsparty: Gottesdienst zum 50. Geburtstag des deutschen Lateinamerika-Hilfswerks. Mit einer farbigen Feier im Armenviertel eröffnet Adveniat seine Jahresaktion. Das ZDF überträgt live; mit seinem festen Sendeplatz am deutschen Vormittag hat es die frühe Stunde erzwungen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Die Wahl des Ortes, unter freiem Himmel, inmitten von Elend und Unrat, ist hochsymbolisch: Denn der Weg von Adveniat nach Sao Paulo führt nicht über Kathedralen und Bischofshäuser. Er führt über Landkonflikte und Arbeitslosigkeit, über Brandrodungen und Hungerstreiks, Drogenzentren, Foltergefängnisse und Vertreibungen.

"Dein Reich komme" - das Motto der diesjährigen Aktion - gilt auch und gerade bei den Ärmsten und Entrechteten, denen außer einem Gotteshaus selbst das Nötigste zum Leben fehlt.



"Toll, dass die extra hierhergekommen sind", meint Edna Trindade Gomes. Die junge Frau hat mehrere Bürgerinitiativen aus ihrem Viertel mobilisiert, um bei der prominenten Feier für ihre Anliegen zu werben. Seit vielen Jahren versuchen sie schon, wenigstens eine kleine Sanitätsbude für die rund 70.000 Bewohner von Cachoeirinha zu bekommen. "Aber bei der Präfektur stoßen wir auf taube Ohren."



Nicht südlich-exotischer Überschwang, eher europäische Gemessenheit prägt die Feier. Ein Stil, für den auch Sao Paulos deutschstämmiger Kardinal Odilo Scherer steht. "Ja, wir möchten am Reich Gottes Anteil haben!", predigt er. Adveniat habe unzählige Gemeinden und Sozialprojekte unterstützt, um Armut und soziale Ausgrenzung zu lindern. Und auch ganz persönlich dankt der Kardinal. Denn er verdankt dem Hilfswerk ein Studienstipendium in Rom und damit letztlich seinen verantwortungsvollen Posten.



Ein tiefes Ja zum Leben

Als Oberhirte der 20-Millionen-Metropole verschließt Scherer nicht die Augen vor den sozialen Verwerfungen in den endlosen Slums, wo sich die Baracken so fest wie eben möglich an die steilen Hänge heften und wo die Abwässer in offenen Gräben zu Tal laufen. Hunger, Gestank, Kriminalität, Drogen, Alkohol und Trostlosigkeit bestimmen hier das Bild. Aber in vielen Herzen gibt es hier auch ein tiefes Ja zum Leben und den festen Willen, aus dem eigenen Elend herauszukommen. Scherer - und Adveniat - unterstützen Projekte mutiger und charismatischer Menschen, die dahin gehen, wo es wehtut.



Auch in politisch und kirchenpolitisch schwierigen Zeiten hat sich das Bischöfliche Hilfswerk entschlossen auf die Seite der Unterdrückten gestellt - und dafür viel Kritik auch von deutschen Katholiken und Politikern einstecken müssen, denen solch "linkes" Engagement nicht gelegen war. Die Feier mit den Armen in Sao Paulo, sie ist gleichsam eine Selbstvergewisserung für die künftigen Herausforderungen. Die Lesung aus dem Buch Jesaja gibt den Weg vor:

"Wir alle sind das Werk deiner Hände. Ach kämst du doch denen entgegen, die tun, was recht ist."



Die Messe ist auf exakt 60 Minuten Live-Sendezeit terminiert. Platz genug für Begeisterung, freilich nicht für Improvisation. Für Farbe sorgen nicht nur die violetten Bischofsornate und der rote Adventskranz. Auch der streunende Köter, der die Altarbühne erklimmt, und der Hahn, der in die Fürbitten kräht, gehören ins Bild. Das Joint Venture aus lateinamerikanischem Laissez-faire und deutscher Akkuratesse geht gut. Und dass gleich, nachdem die Gäste die Bühne verlassen haben und ein Bad in der Menge nehmen, der Blumenschmuck zerpflückt wird und in den vielen Hütten von Cachoeirinha verschwindet, kann ein Zeichen sein, dass die Botschaft in den Herzen der Gemeinde angekommen ist: Wir schicken nicht nur Geld, sondern kommen zu euch nach Hause und schauen euer Leben an.