Achtsamkeitsexpertin gibt Alltagstipps

Wertfreiheit und Präsenz für mehr Lebensqualität

Achtsamkeit umfasst mehr als nur Meditation und richtet sich vor allem auf die Wahrnehmung dessen, was in der Gegenwart geschieht. Die Expertin Nora Klar erläutert, was Achtsamkeit alles ausmacht und wie man sie im Alltag üben kann.

Symbolbild für Achtsamkeit im Alltag. / © fizkes (shutterstock)
Symbolbild für Achtsamkeit im Alltag. / © fizkes ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie sagen, Achtsamkeit hätte zwei wichtige Komponenten. Wertfreiheit und das im Hier und Jetzt sein. Was bedeutet das?

Nora Klar (Beraterin in der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Wuppertal): Ja genau, da sprechen Sie schon die Hauptkomponenten an. Ein Klient hat mal zu mir gesagt, dass er das mit der Achtsamkeit kenne, das sei doch das mit dem Meditieren. Und da hat er nicht ganz unrecht, aber auch nicht wirklich recht.

Nora Klar, Beraterin in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Wuppertal / © Daniel Schubert (privat)
Nora Klar, Beraterin in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Wuppertal / © Daniel Schubert ( privat )

Meditieren ist ein Teil von Achtsamkeit. Also ohne achtsam zu sein kann ich auch nicht meditieren. Aber es beinhaltet noch viel mehr. Es ist im Grunde die pure Wahrnehmung dessen, was gerade passiert.

Dazu gehört, mit allen Körperwahrnehmungen im Hier und Jetzt zu sein und dann auch noch die eigenen Gedanken nicht zu bewerten. Das ist natürlich etwas, was vielen Menschen schwerfällt.

DOMRADIO.DE: Betrifft Achtsamkeit mehr die eigene Person oder das Miteinander mit anderen Menschen?

Klar: Man kann achtsam mit anderen Menschen sein, aber vor allen Dingen geht es bei der Achtsamkeitspraxis um mich selbst. Achtsam mit mir selbst zu sein, achtsam im Hier und Jetzt zu sein, also sich wirklich auf das Wesentliche zu fokussieren.

Gestresste Mutter im Homeoffice / © FamVeld (shutterstock)
Gestresste Mutter im Homeoffice / © FamVeld ( shutterstock )

Heute Morgen zum Beispiel hat sich schon bei mir folgendes Szenario abgespielt: Ich habe die Spülmaschine eingeräumt und war gedanklich schon dabei, meine Einkaufsliste zu schreiben. Nebenbei habe ich noch mit meiner Tochter gespielt und ganz nebenbei habe ich dann vielleicht auch noch eine WhatsApp-Nachricht beantwortet.

Meistens ist es so, dass man dann auch noch stolz darauf ist, dass man so multitaskingfähig ist. Das ist natürlich alles andere als achtsam.

In solchen Alltagsmomenten sollte man darauf schauen, wie man Achtsamkeit praktizieren kann, also sich auf die Handlung im Hier und Jetzt fokussieren. Wenn ich die Spülmaschine einräume, tue ich eben nur das und habe nicht noch 100 Gedanken nebenbei.

Nora Klar

"Manchmal schafft man sogar mehr, wenn man Dinge hintereinander macht und nicht auf einmal."

DOMRADIO.DE: Um alles hintereinander zu erledigen braucht man vielleicht auch ein bisschen mehr Zeit, oder?

Klar: Auf jeden Fall. Manchmal, so kenne ich das aus meinem Alltag, schafft man sogar mehr, wenn man Dinge hintereinander macht und nicht auf einmal.

DOMRADIO.DE: Wie bin ich mir gegenüber wertfrei?

Klar: Das fällt vielen Menschen und auch mir häufig sehr schwer. Es passiert oft automatisch, dass in bestimmten Situation Gedanken aufkommen und man seine eigenen Gedanken dann bewertet.  Das sei gut oder schlecht, das fühle sich gut an, das fühle sich nicht gut an. Deswegen braucht Achtsamkeit Übung.

Entspannen in der Hängematte / © Lukas Schulze (dpa)
Entspannen in der Hängematte / © Lukas Schulze ( dpa )

Auch dieses wertfrei sein kann man trainieren. Da gebe ich meinen Klienten gern an die Hand, das in kleinen Momenten zu üben. Beispielsweise morgens unter der Dusche. Man geht duschen, stellt sich unter die Dusche und häufig hat man schon tausende Gedanken im Kopf.

Das Wasser wahrnehmen, seinen Körper wahrzunehmen, die Temperatur des Wassers zu fühlen, und auch das Duschgel zu riechen und auf der Haut zu spüren. All das kann man üben.

Es passiert, dass Gedanken kommen. Es kann auch mal sein, dass ich an meine To-do-Liste denke. Das bewerte ich dann nicht. Der Gedanke darf kommen, er darf aber auch wieder gehen.

DOMRADIO.DE: Wie und wo fängt man am besten mit solchen Übungen an? Ist die Dusche das klassische Beispiel?

Klar: Jeder kann es individuell in den Alltag integrieren. Man könnte unter der Dusche oder beim Essen anfangen. Man kann aber auch mal seine Routinen durchbrechen und einen ganz anderen Weg zur Arbeit gehen, auch dann bin ich achtsamer. Man schaltet den Autopiloten aus und schaut sich achtsam nach einem neuen Weg um.

Junger Mann mit Kopfhörern / © Jose Luis Carrascosa (shutterstock)
Junger Mann mit Kopfhörern / © Jose Luis Carrascosa ( shutterstock )

Ganz andere Musik zu hören als die, die man sonst hört, wäre auch eine Idee. Wir haben natürlich auch bei uns in der Beratungsstelle eine Achtsamkeitsgruppe, in der man das auch üben kann. Da kann ich nur jede und jeden motivieren, sich dort anzumelden.

DOMRADIO.DE: Der eine macht es lieber zu Hause, die andere braucht eine Gruppenatmosphäre, das ist bei allen anders?

Klar: Genau. Und da bietet sich die Achtsamkeitsgruppe von uns ganz gut an. Mein Kollege Christoph Neukirchen bietet eine Gruppe an, die von September bis November läuft. Diese digitale Gruppe beinhaltet acht Termine. Man kann sich von überall dazuschalten.

Diese Gruppe ist für Menschen gedacht, die vielleicht sogar schon die Achtsamkeitspraxis kennen, aber auch für Anfänger, die noch nie was mit diesem Thema zu tun hatten. In der Gruppe kann man sich austauschen, individuelle Übungen für sich finden und ganz viel üben.

Wenn man sich anmelden möchte, kann man sich über die Katholische Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen Köln melden.

Das Interview führte Bernd Hamer.

Quelle:
DR