Abschiedszeremonie für Horst Köhler

Bricht er sein Schweigen?

Am Dienstag kehrt Horst Köhler vorerst zum letzten Mal ins Schloss Bellevue zurück. Wird sich der zurückgetretene Bundespräsident bei seiner Abschiedszeremonie näher zu den Hintergründen seines Rückzugs äußern? Darüber spekuliert nun "Der Spiegel". Derweil geht die Debatte um die Köhler-Nachfolge weiter.

 (DR)

Vor dem Großen Zapfenstreich sei eine Abschiedsrede Köhlers vor den versammelten Mitarbeitern geplant, berichtete das Nachrichtenmagazin. Die Belegschaft erwarte dabei auch Aufklärung über die Rücktrittsmotive. Es wäre die erste Wortmeldung Köhlers, seit er am 31. Mai völlig überraschend in einer nur zweiminütigen Ansprache seinen sofortigen Rückzug bekanntgegeben hatte.

Nach Informationen des "Spiegel" wird im Präsidialamt nun auch mit dem Rückzug des Chef des Hauses, Staatssekretär Hans-Jürgen Wolff, gerechnet. Wolff werde intern eine erhebliche Verantwortung für Köhlers Scheitern zugeschrieben.

Köhlers wahrscheinlicher Nachfolger, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), äußerte unterdessen das Bedürfnis, mit Köhler über die genauen Gründe des Rücktritts zu reden - "darüber, dass er sich persönlich angegriffen fühlte und fand, dass seine Kritiker sich im Ton vergriffen hatten". Er hätte es richtiger gefunden, wenn Köhler das in einer Rede thematisiert und dann auch über die Medien gesprochen hätte, monierte Wulff, der von Union und FDP nominiert wurde.

Köhler hatte den Schritt nur allgemein mit mangelndem Respekt vor seinem Amt begründet. Vorangegangen waren missverständliche Äußerungen des Staatsoberhaupts über wirtschaftliche Motive für Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Linke weiter gegen Gauck
Unterdessen appellierten SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir an alle Mitglieder der Bundesversammlung, am 30. Juni ihrem Kandidaten Joachim Gauck den Vorzug zu geben. Es gehe nicht darum, einen Sieg Gaucks in eine Niederlage von Schwarz-Gelb zu verwandeln, beteuerten sie in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag". "Joachim Gauck wäre ein Bundespräsident jenseits der politischen Lager."

Explizit richteten sich Steinmeier und Özdemir an die Delegierten der Linkspartei: "Wir setzen auf die Nachdenklichen in den Reihen dieser Partei, die über alte Fronten hinauskommen wollen."

Die Linke schließt eine Unterstützung Gaucks, der Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen war, aber weiter aus. Parteichefin Gesine Lötzsch verschärfte ihre Kritik an Gauck sogar. Gauck habe als Bundesbeauftragter "Menschen willkürlich in Opfer und Täter eingeteilt". Zudem habe er ein "unkritisches Verhältnis zum Kapitalismus" und verstehe nicht, dass viele Menschen Angst vor entfesselten Finanzmärkten und Arbeitslosigkeit hätten.

Die Linke hat ihre Kulturpolitikerin Luc Jochimsen für die Präsidentschaftswahl nominiert. "Das läuft auf die Frage hinaus, ob wir Herrn Gauck im zweiten oder dritten Wahlgang unterstützen", sagte der frühere Linke-Chef Oskar Lafontaine. "Nein, das werden wir definitiv nicht", stellte er klar. Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, kündigte an, Gauck zu einem Gespräch einladen zu wollen. Die Fraktion will darüber am Dienstag beraten.

Der parteilose Gauck grenzte sich derweil weiter von den Positionen Linkspartei ab und kritisierte "populistische, mitunter sogar demagogische Züge" in der Sozialstaatsdebatte. Er widerspreche der Ansicht, dass die Wirtschaft "eine Art strenger Zähmung" brauche. Wirtschaft brauche Freiheit, die Politik solle lediglich den Ordnungsrahmen setzen.