Abschied vom Friedhofszwang

 (DR)

In Bremen will die rot-grüne Koalition in einem deutschlandweit einmaligen Vorstoß den Friedhofszwang lockern. Ihr Vorschlag sieht vor, dass Angehörige die Urne mit der Asche eines Verstorbenen zwei Jahre lang zu Hause aufbewahren dürfen. Erst dann muss die Urne in einer Grabstätte beigesetzt werden, die zuvor reserviert und nachgewiesen worden sein muss. Damit würde das aus dem Jahr 1934 stammende deutsche Feuerbestattungsgesetz zumindest teilweise ausgehebelt. Nach dieser Verordnung muss eine Urne mit der Asche des Toten zwingend sofort auf Friedhöfen oder besonders ausgewiesenen Arealen wie Friedwäldern beigesetzt werden.

Die beiden großen Kirchen sehen den Bremer Vorstoß kritisch. Die Bremische Evangelische Kirche begrüßt in einer Stellungnahme zwar die "entstandene öffentliche Diskussion über Fragen der Bestattungskultur", hat jedoch gegen eine befristete Aufbewahrung der Urne zu Hause erhebliche Bedenken. Wenn der Ort der Beisetzung nicht öffentlich zugänglich sei, hätten weitere Angehörige wie etwa Freunde oder Nachbarn keinen Ort für ihre Trauer. Auch sei ungeklärt, wie die Einhaltung der Aufbewahrungsfrist kontrolliert werden könne.

Ähnlich argumentiert auch die katholische Kirche in der Hansestadt. "Eine solche Privatisierung kann aus psychologischer und geistlicher Sicht das Abschiednehmen, das Loslassen und Trauern verhindern. Sie macht es unmöglich, dass andere Menschen das Grab an einem öffentlichen Ort besuchen und so um den Verstorbenen trauern", warnt der Leiter des Katholischen Büros in Bremen, Propst Martin Schomaker. Auch er sieht "enorme verwaltungsrechtliche Probleme" bei der Kontrolle, dass "würdevoll mit der Urne umgegangen und sie nicht irgendwo entsorgt wird".

Pietätlosigkeit befürchtet auch der Bund deutscher Friedhofsgärtner. "Ein Umgang mit der Wahrung der Totenruhe ist außerhalb des Friedhofs nicht gewährleistet", warnt Vorstandsmitglied Martin Walser. Die Würde des Menschen sei über den Tod hinaus unantastbar. Mit einer Urne, die im Wohnzimmer stehe, werde "am Fundament einer jahrhundertealten Tradition gesägt".