Abgeordnete einigen sich auf Gesetzentwurf zu Patientenverfügung

Hohe Hürden für einen Behandlungsabbruch?

Bundestagsabgeordnete von Union, SPD, Grünen und FDP haben sich auf einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf zur Patientenverfügung verständigt. Sie sollen nur eingeschränkt verbindlich sind. Hohe Hürden für einen Behandlungsabbruch werden dort errichtet, wo eine Krankheit noch keinen tödlichen Verlauf genommen hat, also in Fällen schwerster Demenz oder bei Wachkomapatienten. Justizministerin Zypries droht damit eine weitere Schlappe, da der Kompromiss hinter ihren Vorschlägen zurückbleibt.

 (DR)

Konkret sollen laut Entwurf Behandlungsabbrüche bei nicht mehr einwilligungsfähigen Personen grundsätzlich nur bei tödlichem Krankheitsverlauf möglich sein. Ein Gericht muss in diesen Fällen nur dann angerufen werden, wenn sich Ärzte, Angehörige und Betreuer nicht einig sind.

So lange eine Krankheit noch keinen tödlichen Verlauf angenommen hat, soll der Behandlungsabbruch nur dann möglich sein, wenn der Betroffene dies ausdrücklich in einer Patientenverfügung angeordnet hat und wenn der Patient mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sein Bewusstsein niemals wieder erlangen wird. Außerdem soll in diesen Fällen immer ein Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden müssen. Patientenverfügungen bedürfen laut Entwurf der Schriftform.

Wird Zypries nach dem Unterhalts-Kompromiss zum zweiten Mal geschwächt?
Der Entwurf, der der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt, wurde von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach (CDU), Rene Röspel (SPD), Josef Winkler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) erarbeitet. Seit längerem liegt bereits ein Antrag vor, der vor allem aus SPD-Reihen kommt und Patientenverfügungen eine hohe Verbindlichkeit zuschreibt. Er richtet sich im Kern nach dem Entwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) aus dem Herbst 2004. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) Sie spricht sich für eine größtmögliche Reichweite und Verbindlichkeit von Patientenverfügungen aus. "Jede andere Lösung würde ich auch für verfassungsrechtlich problematisch halten", sagte sie der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit". Es gebe keine Rechtfertigung, Bürgern ihr Selbstbestimmungsrecht vorzuenthalten. Zypries plädierte zugleich für eine Bestrafung von Ärzten, die gegen den Patientenwillen handeln.

Umstritten bei der Regelung von Patientenverfügungen ist vor allem deren Reichweite und Verbindlichkeit sowie die konkrete Form der Abfassung. Offen ist beispielsweise, ob die Behandlung bei schwer Demenzkranken oder Wachkomapatienten abgebrochen werden darf, während sie sich noch nicht im Sterbeprozess befinden. In diesen Fällen geht der Zypries-Entwurf von einem weitgehenden Selbstbestimmungsrecht des Patienten aus. Im Gegenentwurf von Bosbach und Röspel heißt es, Patientenverfügungen ohne Reichweitenbegrenzung widersprächen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Mit Patientenverfügungen können Menschen vorab festlegen, wie sie im Fall einer schweren Erkrankung behandelt werden wollen. Nach Schätzungen haben neun Millionen Deutsche Verfügungen abgefasst.

Der Bundestag will sich in der kommenden Woche in einer ersten großen Debatte mit dem umstrittenen Thema befassen. Allerdings soll es bei der dreistündigen Aussprache am 29. März noch nicht um konkrete Anträge oder Gesetzentwürfe gehen. Dass sich das Parlament mit einer solchen Einstiegs- oder Orientierungsdebatte einem Thema nähert, geschieht recht selten und meist dann, wenn der Fraktionszwang aufgehoben ist. Dazu kommt es vor allem bei bioethischen Fragen.

Kolpingwerk fordert Wahrung der Menschenwürde
Das katholische Kolpingwerk hat sich für die Wahrung der Menschenwürde in allen Lebensphasen ausgesprochen. Patientenverfügungen könnten nur für Krankheiten gelten, die "unweigerlich zum Tode führen", sagte der Bundesvorsitzende des Kolpingwerkes, Alois Schröder am Donnerstag in Köln. Das Kolpingwerk sehe Wachkomapatienten eindeutig als behinderte Menschen und daher nicht zwangsläufig als Sterbende. Schröder appellierte an die Abgeordneten, eine Mehrheit für die "bestmögliche Wahrung der Menschenwürde am Ende des Lebens zu suchen".