Aachener Rechtsextremisten instrumentalisieren Tod eines 19-Jährigen für politische Zwecke

Eine tödliche Messerattacke und ihre Folgen

Für die NPD und weitere rechte Gruppierungen taugt die Tat offenbar zum Fanal und bietet eine Gelegenheit zur Legendenbildung: Der gewaltsame Tod eines 19-jährigen Berufsschülers am vergangenen Wochenende in Stolberg bei Aachen wird von den Extremisten für propagandistische Zwecke genutzt. Weil das Opfer offenbar rechtsextremistisch eingestellt war und der mutmaßliche 18-jährige Täter staatenlos ist, nutzen Neonazis den Vorfall für ausländerfeindliche Hetze. Polizei und antifaschistische Organisationen befürchten, dass sich die Stadt zu einem Sammelpunkt für Rechtsextremisten entwickeln könnte.

Autor/in:
Michael Bosse
 (DR)

So hat der bundesweit bekannte Neonazi Christian Worch für den kommenden Samstag (12. April) bereits zu einer Demonstration aufgerufen, um unter dem Motto "Keine Gewalt gegen Deutsche" rund 500 Gesinnungsgenossen auf die Straße zu bringen. Nur zwei Wochen später ist eine weitere rechte Demonstration der NPD in Planung.

Derzeit werde geprüft, inwieweit die rechten Kundgebungen sowie zwei für den kommenden Samstag geplante Gegendemonstrationen nur unter Auflagen genehmigt werden können, sagte der Sprecher der Aachener Polizei, Paul Kemen. Die Polizei ist gewarnt - bereits am Samstagabend hatte es wegen des Tötungsdelikts eine spontane Demonstration mit rund 160 rechtsgerichteten Anhängern gegeben. Dabei kam es zu Ausschreitungen und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Ein Teilnehmer der Demonstration sprühte mit Tränengas um sich und verletzte sechs Polizisten leicht.

Die tödliche Messerstecherei hatte sich ereignet, als am Freitagabend zwei Gruppen in der Stolberger Innenstadt aneinander gerieten. Dabei hatte der 18-Jährige auf seinen Kontrahenten eingestochen und ihn tödlich verletzt. Der mutmaßliche Täter wurde noch am Samstag festgenommen. Er ist geständig und sitzt mittlerweile wegen Totschlags in Untersuchungshaft.

Als Motiv für den Streit zwischen den beiden jungen Männern vermutet die Staatsanwaltschaft ein persönliches Motiv. "Einen politischen Hintergrund für den Zwischenfall schließen wir aus", sagte der Sprecher der Anklagebehörde, Robert Deller. So sei eine Freundin aus der Gruppe des mutmaßlichen Täters in einem Internetforum von einem Mitglied aus der Gruppe des späteren Opfers "angemacht" worden. Am Freitagabend seien die beiden Gruppierungen dann zufällig aneinander geraten: Dabei hatte sich ein neuer Streit entwickelt, in dessen Verlauf es zu der tödlichen Messerattacke kam.

Die Rechtsextremen widersprechen der Darstellung der Behörden und sprechen von einem "Mord an dem jungen Deutschen" als angeblich politischer Tat. Wenig Gehör findet dabei offenbar auch der Appell der Eltern des Getöteten, die darum gebeten hatten, den Tod ihres Sohnes nicht politisch zu missbrauchen.

Antifaschistische Organisationen befürchten nun, dass Neonazis den Vorfall instrumentalisieren und Stolberg zu einem Tummelplatz für Rechtsextreme wird, die mit Veranstaltungen in der Stadt ihrem angeblichen "Kameraden" gedenken wollen. Nach Angaben von Aachener Antifaschisten falle in "Naziforen" bereits das Stichwort "Salem". In dem gleichnamigen Vorort Stockholms war im Jahr 2000 ein junger Neonazi in einer Auseinandersetzung mit Ausländern getötet worden. Dort wurde der Tote zum Märtyrer stilisiert, dem mit großen Aufmärschen gedacht werde.

Auch Polizeisprecher Kemen kann angesichts der Reaktionen aus dem rechten Lager "nicht ausschließen", dass eine ähnliche Entwicklung in Stolberg droht. Zudem sollen die Rechtsextremisten nach Angaben der antifaschistischen Organisationen bereits mehrere Ausländer in Stolberg aufgrund des Zwischenfalls massiv bedroht haben. Laut Kemen reagiere die Polizei mit "erhöhter Wachsamkeit".

Nach Ansicht der Aachener Antifaschisten ist die Aachener Region ein beliebteste Betätigungsfeld für Neonazis, Stolberg sei gar "eine Hochburg der Neonazi-Szene im Kreis Aachen", behaupten die Betreiber einer Antifa-Homepage. Doch dieser Einschätzung kann Polizeisprecher Kemen nicht zustimmen. Zwar sei im vergangenen Jahr die Zahl der rechtsgerichteten Straftaten in Aachen sowie den Kreisen Aachen, Heinsberg und Düren auf rund 300 gestiegen. Dabei handele es sich jedoch in der Mehrzahl um Propagandadelikte.