Aachener Karlspreisträger Tusk ruft zu neuem europäischen Aufbruch auf

Ehrung in Trauerphase

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk erhält am Donnerstag den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen. Der 53-jährige Politiker wird unter anderem für seinen Einsatz bei der Zustimmung zum Lissaboner EU-Vertrag sowie sein Bekenntnis zu den nachbarschaftlichen Beziehungen Polens in Europa gewürdigt.

 (DR)

Der polnische Ministerpräsident und diesjährige Karlspreisträger Donald Tusk hat angesichts der gegenwärtigen Euro-Krise zu einer neuen Aufbruchstimmung in Europa aufgerufen. Vergleichbar mit dem Kampf der früheren polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarno bedeute Europa Glaube und Hoffnung an eine gemeinsame große Sache, sagte Tusk am Donnerstag bei der Entgegennahme des Internationalen Karlspreises im Aachener Krönungssaal. Europas Stärke sei dabei die Vielfalt.

Die Menschen empfänden sich als Einheimische und zugleich Ausländer in Europa, es sei ihnen bekannt und auch fremd. Daraus müsse eine neue, gemeinsame Kraft entstehen, forderte der polnische Ministerpräsident. Er warnte Kritiker davor, Europa nur auf die Griechenlandkrise zu reduzieren. Europa müsse kein schwarzes Loch sein, sondern könne auch frohe Euphorie verantwortungsvoller Bürger und Entscheidungsträger bedeuten. «Wie Polen in Europa glauben an die Zukunft der Gemeinschaft», betonte Tusk.

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte Tusk in ihrer Laudatio als «leidenschaftlich engagierten und toleranten Europäer». Als Streiter für Freiheit und Menschenrechte habe der polnische Politiker gemeinsam mit Mitgliedern der Solidarno -Bewegung den Grundstein für die Wiedervereinigung 1989 gelegt und die europäische Idee der reichen Vielfalt mit vorangetragen. Der 52-Jährige, der aus dem «Schmelztiegel» Danzig stammt, stehe heute zudem in besonderer Weise für ein demokratisches und weltoffenes Polen im Kreise der europäischen Völkerfamilie.

«Kooperation statt Konfrontation dafür steht Donald Tusk», sagte Merkel. Er blicke nach vorn, ohne sich vor der Verantwortung der Geschichte zu verschließen. Seine Vertrauen in die Kraft der Freiheit mache deutlich, dass Menschenrechte nicht selbstverständlich sind, sondern täglich neu errungen werden müssen. Auch Europa solle dem Wohl und der Freiheit des Menschen dienen. «Wenn Europa scheitert, scheitert nicht nur das Geld, sondern auch die Idee.»

Der 1957 in Danzig geborene Tusk beteiligte sich 1980 während der Arbeiterstreiks an der Gründung eines Unabhängigen Polnischen Studentenverbandes und schloss sich der Solidarno -Bewegung an. Bei zahlreichen Protestzügen sei Tusk oftmals in der ersten Reihe marschiert und habe die öffentliche Auseinandersetzung nicht gescheut, erklärte das Karlspreisdirektorium. Nach dem Abschluss des Studiums der Geschichte arbeitete er als Redakteur und Autor. Tusk gehörte 2001 zu den Mitbegründern der «Bürgerplattform» (PO), dessen Vorsitzender er seit 2002 ist. Im November 2007 wurde er zum Ministerpräsident Polens gewählt.

Der undotierte Internationale Karlspreis zu Aachen gilt als wichtigste Auszeichnung für Verdienste um die europäische Einigung. Er wird seit 1950 verliehen und besteht aus einer Urkunde und einer Medaille. Zu den Preisträgern zählen Bundeskanzlerin Angela Merkel (2008) und Helmut Kohl (1988, beide CDU), der frühere US-Präsident Bill Clinton (2000), der britische Premier Tony Blair (1999) sowie der spanische König Juan Carlos (1982). Einen «Außerordentlichen Karlspreis» erhielt 2004 Papst Johannes Paul II. Preisträger im vergangenen Jahr war der Gründer der christlichen Laienbewegung Sant'Egidio, der Historiker Andrea Riccardi.