62.000 Flüchtlinge aus Mali suchen Schutz in Burkina Faso

Zwischen Hunger und Hoffnung

Die Zahlen sind erschreckend und täglich steigen sie weiter. Laut UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, sollen mittlerweile etwa 62.000 Menschen aus Mali ins Nachbarland Burkina Faso geflohen sein. Sie stellen den burkinischen Staat und die internationalen Hilfsorganisationen vor massive logistische Herausforderungen - und spüren das täglich am eigenen Leib.

 (DR)

Neben Hunger und Durst quält die Flüchtlinge vor allem die Frage: "Wann können wir endlich heim nach Azawad?" So nennen sie den Norden Malis, seit die Nationale Bewegung zur Befreiung Azawad (MNLA) die Region am 6. April für selbstständig erklärte.



Der Weg von Burkina Faso in den Norden ist beschwerlich. Bis Dori fahren von der Hauptstadt Ouagadougou aus noch Busse. Danach geht es mit einem Buschtaxi weiter bis in die Kleinstadt Gorom-Gorom, hier beginnt die Sahelzone. Wer in die wenigen entlegenen Dörfer will, braucht einen guten Geländewagen und jede Menge Fahr-Erfahrung. Doch ausgerechnet über diese Route muss nun all das transportiert werden, was Zehntausende Flüchtlinge benötigen. Hier draußen gibt es so gut wie nichts mehr. Die Nahrungsmittel sind durch die anhaltende Dürre im Sahel längst aufgebraucht, bis zur nächsten Ernte werden viele Monate vergehen.



Eine junge Frau schüttelt den Kopf. Sie hält zwei gelbe Wasserkanister in den Händen und wartet im Flüchtlingscamp von Ferrerio, dem größten der Region, vor einem Brunnen. Auf ihrem Rücken zappelt ein Baby unruhig im Tragetuch. Die junge Frau stellt sich als Aisha vor. "Ich weiß nicht, wie das hier weiter geht. Was sollen wir hier essen? Und wir wissen überhaupt nicht, wann wir zurückkönnen", sagt sie auf Tamashek, der Sprache der Tuareg, die hier jeder spricht. Aisha spricht das aus, was viele Frauen beschäftigt. Dabei ist das Welternährungsprogramm (WFP) mit Mitarbeitern vor Ort. In Europa versuchen verschiedene nichtstaatliche Organisationen immer wieder auf die schlechten Lebensbedingungen der Malier aufmerksam zu machen.



Schlangen vor der Krankenstation

Um zumindest eine medizinische Basisversorgung zu gewährleisten, hat die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" in den verschiedenen Flüchtlingscamps mehrere Krankenstationen aufgebaut. Bevor die Mitarbeiter morgens zur Arbeit kommen, haben sich schon lange Schlangen gebildet. Wer nicht ambulant behandelt werden kann, wird ins nächste Krankenhaus nach Gorom-Gorom gebracht. Viele Menschen sind von ihrer Flucht und den extremen Temperaturen der vergangenen Wochen - häufig stieg das Thermometer auf weit über 45 Grad - geschwächt, doch auch jetzt in Burkina Faso sind die Lebensbedingungen hart. "Es ist zwar von Camp zu Camp unterschiedlich", sagt Doktor Charles, der das Projekt von "Ärzte ohne Grenzen" leitet. "Aber wir haben hier Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung. Teilweise fehlt es auch an Sanitäreinrichtungen." Die Regenzeit, die unmittelbar bevorsteht, wird das Leben nicht leichter machen, im Gegenteil.



Ildadas Ag Mohamed denkt darüber nicht nach. Er hat gerade seine Kamele zu einer der Wasserstellen geführt. Dass er mit seinen Tieren nach Burkina Faso gekommen ist, sei selbstverständlich. "Mein Hab und Gut", sagt er und zeigt auf eines der Tiere. Wie er seine Kamele, Rinder, Ziegen und Esel dauerhaft versorgen soll, darüber will er nicht nachdenken. Lieber wandern seine Gedanken in den Norden Malis, nach Azawad.



Seit Mitte Januar kämpft dort die MNLA gegen die Regierungstruppen, viele Menschen flüchteten. Ildadas Ag Mohamed sei zwar für die Rebellen. "Doch Sicherheit geht vor", sagt er. Wann diese wieder hergestellt sein wird, weiß er nicht. Die Ausrufung von Azawad hat die Situation nicht besser gemacht. International will den Staat niemand anerkennen. In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Überlegungen, das Staatsgebiet - zur Not auch mit militärischer Hilfe - zurückzuerobern. Ildadas Ag Mohamed hält das für fatal.

"Azawad ist unser Land. Und dort wollen wir endlich unseren eigenen Staat gründen."