300 Jahre Johannes-Nepomuk-Kirche im mährischen Zdar

Barocke Mondrakete ist Unesco-Weltkulturerbe

Vor 300 Jahren entstand in der mährischen Provinz einer der eigentümlichsten Kirchenbauten in Europa. Das Gotteshaus hatte zunächst wenig Glück. Doch mit der politischen Wende von 1989 ging sein Stern von neuem auf.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Draufsicht auf die Kirche St. John von Nepomuk, Zdar nad Sazavou, Tschechien / © DaLiu (shutterstock)
Draufsicht auf die Kirche St. John von Nepomuk, Zdar nad Sazavou, Tschechien / © DaLiu ( shutterstock )

Ist das ein Raumschiff? Eine Stein gewordene Sternfrucht? Nein, es ist eine Barockkirche! Eine kuriose, aus Symbolen und Zahlenmystik zusammengesetzte Barockkirche. Nur denkbar knapp ist die Wallfahrtsstätte für den heiligen Johannes von Nepomuk im mährischen Zdar nad Sazavou (Saar an der Sassau), deren Bau 1722, vor 300 Jahren, abgeschlossen wurde, über die Jahrhunderte der Zerstörung entgangen. Seit 1994 steht sie unter dem Schutz der Weltkulturorganisation Unesco. 2014 beschloss der tschechische Staat die Rückgabe an die katholische Kirche.

Klosterkirche aus dem 14. Jahrhundert

Das einzigartige Hauptwerk der sogenannten böhmischen Barockgotik, ein Entwurf von Johann Blasius Santini-Aichel (1677-1723), ist (neben dem Schloss) die Hauptattraktion der ansonsten wenig spektakulären 20.000-Einwohner-Kreisstadt Zdar. Das Kirchlein auf dem Grünen Berg (Zelena Hora) am Südrand des Saarer Berglands gehört zu einem 1252 gegründeten Zisterzienserkloster, einst abgeschieden und inmitten fischreicher Seen, heute am Stadtausgang gelegen. Vor genau 600 Jahren - 1422 - von den Hussiten und erneut im Dreißigjährigen Krieg in Schutt und Asche gelegt, wurde es immer wieder aufgebaut.

Johannes von Nepomuk

Johannes von Nepomuk (um 1340/50-1393), eigentlich Jan Welflin aus Pomuk im südböhmischen Pilsen, war Generalvikar des Erzbistums Prag. Seine Berühmtheit gründet auf der erst für rund 50 Jahre nach seinem Tod verbürgten Anekdote, er habe wegen seiner Treue zum Beichtgeheimnis das Martyrium erlitten. Tatsächlich wurde er wohl von Schergen des böhmischen Königs in die Moldau geworfen, weil seine Personalpolitik die Pläne Wenzels IV. durchkreuzte.

Heiliger Johannes Nepomuk in Prag / © Alexander Brüggemann (KNA)
Heiliger Johannes Nepomuk in Prag / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Die Klosterkirche aus dem 14. Jahrhundert wurde 1706 vom Barockbaumeister Santini-Aichel erneuert, der sich in den folgenden Jahren mit einigen weiteren originellen Bauwerken in der näheren Umgebung des Klosters verewigte: der Dorfkirche von Obyctov in Form einer Taube, einem wenig bekannten Symbol der Jungfrau Maria etwa, oder dem Gasthaus in Ostrov, das gemäß den Initialen seines Förderers, Abt Vaclav Vejmluva von Zdar, in Form eines "W" gestaltet ist.

Vejmluva war es auch, der 1719 Santinis Meisterstück in Auftrag gab: die Wallfahrtskirche auf dem Grünen Berg zu Ehren des Johannes von Nepomuk. Der Prager Generalvikar wurde der Legende nach zum Märtyrer, weil er sich standhaft weigerte, gegenüber dem böhmischen König Wenzel IV. das Beichtgeheimnis zu brechen und Bekenntnisse von Königin Sophie preiszugeben. 1393 wurde der Priester gefoltert und von der Karlsbrücke in die Moldau geworfen. Dafür wird er bis heute weltweit als Brückenheiliger dargestellt.

Symbolzahl "5"

Die Wallfahrtskirche von Zdar ist ein "Traum in 5". Die Symbolzahl ist fast allgegenwärtig. Fünf Tore und fünf Kapellen hat der Kreuzgang, fünf Seiten der sternförmige Grundriss des Zentralbaus mit seinen fünf Altären in fünf Kapellen. Das "V" steht für den Auftraggeber, Abt Vejmluva, aber auch für die lateinische Zahl fünf - und fünf Buchstaben hat auch das Wort, das dem heiligen Johannes von Nepomuk als Attribut zugeschrieben wird: "tacui" - ich habe geschwiegen.

Ebenso geben die Türen- und Fensterformen beredten Hinweis auf den verschwiegenen Erzbischof. Zahllose Zungen gibt es da, die Mitra des Abtes von Zdar und - als gängiges Barockmotiv - die Dreieinigkeit Gottes als Triangel. Die fünf fünfstrahligen Sterne sollen bei Niedrigwasser der Moldau den Sterbeort des Heiligen markiert haben. Fünf achtstrahlige Sterne dagegen stehen für den Zisterzienserorden, der zehnstrahlige für die Muttergottes, die von den Zisterziensern besonders verehrt wird. Auch sechsstrahlige Sterne sind zu finden: Johannissterne. Fünf V-förmig angeordnete Cherubim und drei Putten am Hochaltar stehen für die angeblich 53 Lebensjahre des Märtyrers.

Dem architektonischen Kleinod waren damals nicht viele Jahre in Pracht beschieden. 1737 brannten Barockkonvent und -kirche von Zdar zum ersten Mal. Das unrühmlichste Kapitel Klostergeschichte schrieb 1784 der letzte Abt, Otto Steinbach. Er selbst soll das Feuer gelegt haben, das 1784 Kloster- und Wallfahrtskirche ruinierte. Danach bat der Abt Kaiser Joseph II. um die Aufhebung des hoch verschuldeten Klosters und setzte sich als Privatier nach Prag ab. Sein unstetes Leben endete wohl 1825, nach einem vorgetäuschten Suizid und neuerlicher Flucht, im rheinischen Bonn.

Der Bischof von Olmütz wollte damals die zerstörte Jan-Nepomuk-Kirche, die nun als Schafstall diente, abreißen lassen. Doch die Bevölkerung wehrte sich - mit einer Idee: Das umfriedete Areal im Inneren des zehneckigen Kreuzgangs, ursprünglich als Herberge und Gebetsstätte für die Pilger konzipiert, wurde für zwei Jahrhunderte zum Friedhof der Gemeinde - und die Wallfahrtskirche zur Friedhofskapelle umfunktioniert.

Quelle:
KNA