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30 Jahre Wiedervereinigung

Was wissen Sie über Ostdeutschland? Fragte mich in meinem Auslandsjahr ein Dozent für Literaturwissenschaft in den 1980er Jahren im französischen Lyon.

30 Jahre Mauerfall: Jubelnde Menschen sitzen mit Wunderkerzen auf der Berliner Mauer (dpa)
30 Jahre Mauerfall: Jubelnde Menschen sitzen mit Wunderkerzen auf der Berliner Mauer / ( dpa )

Mitte der 1980er Jahre wartete außer dem Dozenten auch gleich der ganze Hörsaal auf meine Antwort. Ostdeutschland? Panisch ratterte mein Verstand.  

Mauer, Trabi, Plattenbauten. Was weiß denn ich? „Ich war noch nie in Ostdeutschland“, antwortete ich piepsig.

Der Dozent wurde ungeduldig. Aber ich sei doch Deutsche, ich müsse doch mehr wissen? Wieder schauten mich alle an.

10. Klasse, die Berlinfahrt fiel mir ein. „Doch“ sagte ich, ich sei mal in Ostberlin in einer polytechnischen Oberschule gewesen. „Und?“ Ich erzählte, woran ich mich erinnerte.

Das wäre doch nachgeplapperte Propaganda, nichtssagend. Da sei wirklich nichts Anderes?

Doch, da war noch was. Da war noch der Moment als ich in Westberlin auf eine der Aussichtsplattformen an der Mauer kletterte, auf Stacheldraht, Todesstreifen und Selbstschussanlagen schaute.

Erinnerte mich an die Erzählungen meiner Eltern, die im Krieg vom Rheinland nach Jena evakuiert worden waren und kurz nach dem Krieg vor den russischen Truppen wieder ins Rheinland flohen.

Ohne diese Flucht, wurde mir beim Blick über den Todesstreifen nach Ostberlin klar, wäre ich auf der anderen Seite des Todesstreifens geboren.  

Der Dozent nickte, endlich eine Aussage, die ihn zufriedenstellte.

Froh der quälenden Aufmerksamkeit entronnen zu sein, blieb ich mit dem schalen Gefühl zurück, quasi nichts über Ostdeutschland zu wissen.

Die Szene ist lange her. Zu 30 Jahren Wiedervereinigung fällt sie mir wieder ein. Genauso wie eine zweite Szene.

Ein Vorstellungsgespräch Mitte der 90er Jahre. Damals wollte ich mich verändern, hatte mich auf eine Stelle in einer Nachrichtenagentur beworben.

Das Bewerbungsgespräch mit dem Chefredakteur war gut gelaufen. Eigentlich waren wir fertig. Da hatte er doch noch eine Frage: Ob die Wende eigentlich was Anderes für Ost und West bedeuten würde.

Ja, natürlich. Vom Staat bis zum Geld hatte sich so ziemlich alles geändert. Allerdings nur für die Menschen in der DDR.

Für mich im Westen hatte sich fast nicht geändert.

Die Bewerbung ist gut ausgegangen. Aber dann bin ich nicht nach Berlin gegangen, um die Stelle anzunehmen. Sicher wüsste ich sonst heute mehr über die Menschen in oder aus Ostdeutschland.

So aber frage ich Menschen, die sich auskennen. Wie z.B. Dr. Udo Baer, der als Kind selbst aus der DDR floh. In der Sendung Menschen sprechen wir das DDR Erbe in der Seele. Das auch in der Kinder-  und Enkelgeneration bis heute wirkt.