3. Sonntag nach Trinitatis

BWV 184: "Erwünschtes Freudenfest“

Die Kantate „Erwünschtes Freudenlicht“, BWV 184, geht offenbar auf ein weltliches Werk zurück, dass Bach in seiner Köthener Zeit geschrieben hat. Bach hat dieses Werk umgeschrieben, mit einem geistlichen Text versehen und im Jahr 1724 zum ersten Mal als Kirchenkantate aufgeführt. Inhaltlich breitet der Dichter den Gedanken von Jesus, als Hirten, und den Gläubigen, als der glückseligen Herde aus.

Stille nacht Noten - Original / © © SalzburgerLand
Stille nacht Noten - Original / © © SalzburgerLand

Ein Satz, der etwas aus dem Rahmen fällt, ist der Eingangssatz. Textlich ist hier vom „Erwünschten Freudenlicht“ die Rede, das mit dem neuen Bund anbricht. Die Vermutung liegt nahe, dass dieser Text noch aus dem weltlichen Text stammt und Bach hier auf eine Änderung verzichtet hat, weil die beiden Querflöten, mit denen dieser Satz instrumentiert ist, ständig eine Figur wiederholen, die aus der Vorstellung vom Aufflackern dieses Lichtes konzipiert wurde. Hätte Bach jetzt den Text geändert, hätte die Musik nicht mehr dazu gepasst. Und so verzichtet Bach hier auf eine Veränderung und nimmt an dieser Stelle wohl eher ein gewisses Unverständnis des Zuhörers in Kauf.

Satz 2 war wohl schon in seiner weltlichen Form als Pastorale konzipiert und passt daher sehr gut zu dem jetzt geistlichen Text, in dem ja von den Christen, als der „glückseligen Herde“ die Rede ist. Auch die überwiegend liedhafte Führung der Gesangspartien und der erhebliche Anteil der Instrumentalzwischenspiele an diesem Satz verstärken den Eindruck eines Hirtenreigens. Der dritte Satz ist als einfaches Rezitativ komponiert, geht jedoch am Ende in ein Arioso über. Inhaltlich wird hier darauf hingewiesen, dass durch Jesu Tod auch die Sünder in diese Herde aufgenommen worden sind. Am Ende dann der Ausblick auf die nach dem Tode erhoffte „vollkommne Himmelsfreude“.

Jesus als Bringer der „güldnen Zeit“ ist auch das Thema der Sätze 4 und 5. Satz 4 ist als Tenor-Arie komponiert, Satz fünf als einfacher Choralsatz. Doch bildet dieser Choral noch nicht den Schluss der Kantate. Ihm folgt noch ein Chor mit Gavottencharakter, der ausgesprochen kunstvoll gestaltet ist und zwischen Chor und solistischer Zweistimmigkeit abwechselt.

Ganz anders als in unserer zeit erfüllte der Gottesdienst zur Zeit Bachs die Funktion eines geistlichen, kommunalen und kulturellen Zentrums. Gerade in kultureller Hinsicht war die Kirche sozusagen der einzige Ort kommunaler Versammlungen, die der Repräsentation der Stadt und ihrer Bürger diente. Der Hauptgottesdienst am Sonntag dürfte ebenso wie heute Oper oder Konzert Ort besserer und kostbarer Kleidung gewesen sein. Und so hatten die von Bach komponierten und aufgeführten Kantaten eine ganz besondere Stellung im Leben der Stadt: Seine Musik war das „Ereignis“ der ganzen Woche. Rund 2000 Menschen hörten jeden Sonntag seine Kantaten. Und in einer Zeit, in der sonst kulturell für die Bürger nicht besonders viel geboten wurde und – da es ja noch keine Tonträger gab, also weder Plattenspieler noch CD’s – Musik nicht beliebig reproduzierbar war, hatte eine live aufgeführte Kantate natürlich einen ganz besonderen Stellenwert.

 

BWV 184: „Erwünschtes Freudenfest“

Knabenchor Hannover, Collegium Vocale Gent, Leonhard-Consort

Leitung: Gustav Leonhardt

Quelle: Alfred Dürr: Die Kantaten von Johann Sebastian Bach. Bärenreiter 1995