25 Jahre Weltraumbestattungen

Die Asche des Menschen ist grundsätzlich unteilbar

Der Reiz des Dernier Cri ist längst gewichen. Die Szene ist schon ein paar Häuschen weitergezogen. Die Schlagzahl dessen, was unsere Gesellschaft für die Zeit nach dem Tod cool findet, ist wohl zu hoch.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Weltraum und die Erde / © Romolo Tavani (shutterstock)

Natürlich möchte manche Gattin ihren Mann auf den Mond schießen. Aber doch nicht wie Wende Doohan. Für James "Scotty" Doohan (1920-2005), den legendären Maschinisten aus dem TV-"Raumschiff Enterprise", wurde das sprichwörtliche "Beam mich hoch, Scotty" mit einigen Jahren Verzögerung Wirklichkeit. Im Mai 2012 hob eine "Falcon 9"-Rakete vom Spaceport America im US-Bundesstaat New Mexico mit ein paar Gramm eingeäschertem Scotty ab.

Kein ewiges Gleiten durchs All

Das Bild vom ewigen Gleiten durchs All ist freilich allzu verklärt: Die Kapseln werden ausgesetzt und treten nach kurzer Zeit in einer niedrigen Erdumlaufbahn wieder in die Atmosphäre ein - wobei die Asche in einem Wimpernschlag der Geschichte verglüht, wie eine Sternschnuppe.

Erste Weltraumbestattung 1997

Vor 25 Jahren, am 21. April 1997, startete vom Luftwaffenstützpunkt Gran Canaria erstmals eine Pegasus-XL-Trägerrakete zu einer sogenannten Weltraumbestattung der US-Firma Celestis. Im Gepäck: 24 Winz-Urnen. Schon schien ein neuer Megatrend für Reiche geboren. Doch die Schlagzahl dessen, was unsere Gesellschaft für die Zeit nach dem Tod cool findet, bleibt hoch. Mal werden Verstorbene in der Schweiz zu Diamanten gepresst. Mal prahlt der "Rolling Stone" Keith Richards, mit der Asche seines Vaters gekokst zu haben. Und so stottert der Motor der Weltraumbestattungen schon seit Jahren erheblich.

Ausgefallene Art der Bestattung

Zugegeben: Zu den ausgefallensten Bestattungsarten gehört sie sicher. Die kurze Tummelei im Orbit teilt "Scotty" mit anderen zerstreuten Professoren und prominenten Weltraumveteranen: "Star Trek"-Erfinder Gene Roddenberry (1921-1991) oder NASA-Pionier Gordon Cooper jr. (1927-2004), in den 60er Jahren Kommandant der "Mercury 7"- und "Gemini 5"-Mission. Selbst der Gründer der Flower-Power-Bewegung und "LSD-Prophet" Timothy Leary (1920-1996) ist auf diese Weise noch in den Himmel gekommen.

Asche wird geteilt

Da die Transportkosten immens hoch sind, legt nach der Verbrennung der Leiche nur ein winziger Teil der Asche einen Raketenstart hin; das deutsche Bestattungsrecht spricht von "zulässigen Restmengen". Aber ist das ethisch überhaupt statthaft? Und handelt es sich überhaupt um eine Bestattung? Die International Cremation Federation (ICF) befindet: "Die Asche einer Person ist grundsätzlich unteilbar." Tatsächlich kann der Großteil der Asche in einer Urne auf einem irdischen Friedhof beigesetzt werden. Daher sprechen manche Anbieter inzwischen gar nicht mehr von einer (Weltraum-)Bestattung, sondern von einem "memorial" (Gedenken).

Drei Kostenvarianten

Aufsteigend - rein kostenmäßig - gibt es drei Varianten: Der Billigheimer (ab ca. 5.000 Euro): Eine Forschungsrakete bleibt "suborbital" - und lässt die Asche noch innerhalb der Atmosphäre am Fallschirm zur Erde zurück. Dann die Glühwürmchen/Sternschnuppen-Variante. Und schließlich quasi die Apollo-Mission: Die lippenstiftgroße Urne wird auf der Mondoberfläche abgeladen. Das widerfuhr allerdings bislang nur ein paar Gramm des US-Astronomen Eugene Shoemaker (1928-1997). Eingraviert war ein Vers aus William Shakespeares "Romeo und Julia".

Viel Luft nach oben

Zum Fünf-Jahres-Jubiläum der Weltraumbestattungen 2002 berichteten die Medien noch von 500 Anfragen pro Jahr allein aus Deutschland. Im Moment: viel Luft nach oben. Nach einigen Jahren der Misserfolge fehlte lange die Publicity. Und noch viel wichtiger: Das Transportunternehmen SpaceX von Milliardär Elon Musk strebt zuletzt nach noch viel Höherem, setzt auf lebende statt tote Astronauten. Nach dem Ende der "staatlichen" US Spaceshuttles übernahm SpaceX deren Transportdienste für die NASA. Da war dann die kleine Dienstleistung der Urnenauslieferung ins All offenbar plötzlich peinlich; man wollte das nicht mehr an die große Glocke hängen.

Dazu die Preissteigerungen: Immer weniger Asche darf mitfliegen - für immer mehr Asche. Zwar darf theoretisch die ganze Urne huckepack in die Ewigkeit. Doch das ist dann doch eher Science Fiction; für eine Zeit, in der Geld keine Rolle mehr spielt.

Ablauf der Weltraumbestattung

Und so läuft es ab: Am Vortag des Starts findet auf dem Spaceport von New Mexico eine Gedenkzeremonie statt. Nach dem Start bekommen die Hinterbliebenen dann das volle Devotionalien-Programm: DVD vom Start, Urkunde und Bronzestatuette. Aus dem Staub zu den Sternen! Tatsächlich wirft die Trägerrakete den Behälter mit den Aschemengen aber noch vor Verlassen der Erdatmosphäre wieder ab. Per Fallschirm gleiten sie in die Wüste von New Mexico zurück - von den Sternen in den Staub.

Drei Starts nach einer mehrjährigen Pause

Immerhin: Für die vergangenen dreieinhalb Jahre verzeichnet die Online-Enzyklopädie Wikipedia immerhin wieder drei Starts - nach einer mehrjährigen Pause: im Dezember 2018 ca. 100 Mikro-Urnen mit dem Satellit "Elysium Star 2" auf einer "Falcon 9" in eine sonnensynchrone Umlaufbahn; im Juni 2019 ca. 200 Mikro-Urnen an Bord des Satelliten OTB auf einer "Falcon Heavy" in eine niedrige Erdumlaufbahn; und im Januar 2021 auf einer "Falcon 9" in eine sonnensynchrone Umlaufbahn. Wo kaum je ein Mensch zuvor gewesen ist.

Bestattungen in Deutschland

Es gibt zu den Bestattungsarten in Deutschland keine repräsentative Statistiken und Umfragen. Nach vorsichtigen Schätzungen des Bundesverbands Deutscher Bestatter liegt der Anteil von Feuerbestattungen bei etwa 58 Prozent im Jahr. Besonders nachgefragt sind Feuerbestattungen in Nord- und Ostdeutschland, aber auch in den eher katholisch geprägten Regionen nimmt der Trend zur Urne zu. Einzelne Bestatter in Norddeutschland berichten in ihrem Einzugsgebiet von einem Anteil der Feuerbestattung von über 80 Prozent. (DR/dpa)

Symbolbild: Schneebedeckter Grabstein auf einem Friedhof / © Adam J Hague (shutterstock)
Symbolbild: Schneebedeckter Grabstein auf einem Friedhof / © Adam J Hague ( shutterstock )
Quelle:
KNA