Bei der Vorstellung gruselt es Birgit Weihrauch noch heute: Sterbende, die in Krankenhäusern in Abstellkammern auf ihren Tod warten; Tote, die mit ihren Betten zunächst in Badezimmer gebracht werden. In den 1970er Jahren sei das in Deutschland noch durchaus gängige Praxis gewesen, so die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Hospiz- und PallativVerbands (DHPV). Dies gehöre glücklicherweise der Vergangenheit an, so die Medizinerin, die in dieser Zeit selbst als Ärztin praktizierte. In Krankenhäusern, aber auch in der Gesellschaft habe sich seitdem viel verändert, berichtet Weihrauch. Dazu beigetragen hat auch ihr Verband, der am Donnerstag in Berlin sein 20-jähriges Bestehen feiert und mehr als 1.000 Hospizvereine und Palliativeinrichtungen.
In Würde sterben, das scheint etwa 30 Jahre nach Gründung der ersten Hospize in Deutschland nicht länger nur ein frommer Wunsch zu sein. Vielerorts ist ausreichend Hilfe und Pflege in der letzten Lebensphase vorhanden. Aktuell gibt es nach Angaben des DHPV in Deutschland etwa 190 stationäre Hospize, 230 Palliativstationen an Krankenhäusern und 1.500 ambulante Palliativdienste. Rund 80.000 Menschen engagieren sich ehrenamtlich in der Hospizbewegung. Zudem erinnert Weihrauch daran, dass seit 2009 Krankenkassen die Kosten für die Pflege in stationären und ambulanten Hospizen übernehmen müssen.
Für die Hospizbewegung trotzdem kein Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Es gebe weiter Lücken bei der Finanzierung der Hospize, kritisiert die Vorstandsvorsitzende. Dazu verweist die DHPV-Schirmfrau und frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin im Vorfeld des Jubiläums auf einen kürzlich bekannt gewordenen Fall. So weigerte sich eine Krankenkasse, bei einer Schwerstkranken die Kosten für eine angemessene Pflege zu bezahlen. "So etwas darf nicht passieren", meint sie. Damit bürde man in einer ohnehin schwierigen Situation sowohl den Betroffenen als auch den Angehörigen zu viel auf.
Auch bei den bisherigen Regelungen zur Transplantation von Organen sieht sie noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Sie habe nach Bekanntwerden des Skandals viele E-Mails von Menschen erhalten, die in ihrer Entscheidung für eine Organspende verunsichert seien. "So kann man kein Vertrauen schaffen", bemängelt sie. Das Thema Organspende sei "hoch emotional". "Wir brauchen da deutlich mehr Transparenz", so Däubler-Gmelin. Einen weiteren Knackpunkt sieht sie beim Gesetzentwurf zur gewerbsmäßigen Sterbehilfe, den das Bundeskabinett Ende August auf den Weg brachte.
Der stellvertretende DHPV-Vorsitzende Erich Rösch weist auf die Rolle des Hausarztes bei einer gut funktionierenden Pflege hin.
Immer mehr Menschen wünschten sich, zu Hause zu sterben, bei der Umfrage, die der Verband im August vorstellte, waren es 66 Prozent der rund 1.000 Befragten ab 16 Jahren. Dies gehe nur, wenn den Angehörigen ein medizinisches Fachteam zur Seite gestellt werde. Der Hausarzt spiele eine Schlüsselrolle, müsse dann aber auch über ein entsprechendes Zeitbudget verfügen. Dies sei derzeit nicht der Fall.
Däubler-Gmelin betont mit Blick auf den demografischen Wandel die zunehmende Brisanz des Themas "Tod und Sterben". "Wir leben in einer alternden Gesellschaft", betont sie. "Ich will aber auch, dass wir in einer lebensbejahenden Gesellschaft leben." Dazu gehöre es auch, ältere Menschen bis zu ihrem Tod würdevoll zu pflegen. Suizide älterer Menschen aus Angst, jemandem zur Last zu fallen, dürfe es nicht mehr geben.
20 Jahre Deutscher Hospiz- und PalliativVerband
In Würde sterben
Hilfe und Pflege in der letzten Lebensphase: Dafür setzt sich der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband ein. Mittlerweile gibt es fast 200 Hospize in Deutschland, dazu Palliativstationen an Krankenhäusern und ambulante Palliativdienste. Heute feiert der Verband sein 20-jähriges Bestehen.
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