15 Jahre "Feiern der Lebenswende"

Als Alternative zur "Jugendweihe" etabliert

Das Interesse war enorm: Als der damalige Erfurter Dompfarrer Hauke 1998 erstmals zu einer "Feier der Lebenswende" einlud, standen die Kamerateams Schlange. Heute ist das christlich geprägte Fest für konfessionslose Jugendliche in etabliert.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
"Feier der Lebenswende" in Erfurt (Bistum Erfurt)

Vor 15 Jahren begann das ungewöhnliche Alternativangebot zur atheistischen "Jugendweihe" mit zwölf Jugendlichen im Alter um 14 Jahre. In diesem Frühjahr sind es mehr als 90. Über 800 waren es bisher insgesamt, wie Hauke bei einer Tagung des Theologischen Forschungskollegs an der Universität Erfurt am Wochenende überschlug, mit durchschnittlich jeweils zehn Gästen. Dass Hauke nach seiner Ernennung zum Weihbischof 2007 die Verantwortung für die Feiern an Gemeindereferentin Cordula Hörbe übertrug, tat ihnen keinen Abbruch. "Dies widerlegt das Klischee, dass Frauen in der katholischen Kirche wenig zu sagen haben", betont sie.

Im Osten Deutschlands hat das Erfurter Modell inzwischen Schule gemacht. So gibt es auch in Magdeburg, Dresden oder Berlin vergleichbare Angebote für Jugendliche ohne Taufschein. Unter dem Dach eines Gotteshauses schauen sie auf ihre Kindheit zurück und äußern ihre Wünsche an die Zukunft als Erwachsene. Und dies nicht nur mit Worten. Manchmal liegen Plüschtiere und Kinderbücher auf einem "Lebenstuch", oft bilden mit eigenen Texten umgedichtete Hits den musikalischen Rahmen. Immer tragen die Feiern auch einen christlichen Akzent, zumindest beim Abschlusssegen für die Teilnehmer und ihre Familien. "Den drücken wir ihnen nicht auf, er wird wie die Feier in einer Kirche ausdrücklich gewünscht", versichert Ralf Knauer, der solche Feiern in Dessau und Köthen leitet.

Hintergrund des neuen kirchlichen Angebots ist die weiterhin starke Präsenz der "Jugendweihe" im Osten Deutschlands. Mit massivem Druck hatte die SED das ursprüngliche Freidenker-Ritual flächendeckend etabliert. Die Feier mit Gelöbnis auf den sozialistischen Staat wurde zur Konkurrenz der evangelischen Konfirmation und der katholischen Firmung, zum Unterscheidungsmerkmal von Freund und Feind. Aber auch zu einem beliebten Familienfest. So überlebte die "Jugendweihe" den Fall der Mauer. Neue Trägervereine werben in den Schulen für die Feste mit Musik und Ansprachen. Die alten ideologischen Formeln sind dort zwar nicht mehr zu hören, dafür konstatieren Besucher oft eine "inhaltliche Leere". Jährlich nehmen um die 30.000 Jugendliche daran teil.

"Wir verzichten auf Missionierungsversuche"

Ganz vergessen sind die früheren Konflikte indes nicht. So entstand bald nach der "Wende" der Wunsch nach einer Alternative bei den vielen Ostdeutschen, die trotz Interesse am Christentum keiner Kirche angehören. Besonders kam es von den Schülern an kirchlichen Schulen, die keiner Konfession angehören. In Erfurt oder Halle sprechen die Lebenswendefeiern inzwischen viele andere Jugendliche ebenfalls an. Attraktiv sind auch die Vorbereitungstreffen, bei denen die Teilnehmer die Form der Feier weitgehend selbst bestimmen. Dazu gehören Sozialprojekte wie Pflegearbeiten auf einem Friedhof und gemeinsame Abende mit den Eltern.

"Wir verzichten auf Missionierungsversuche", betont Schwester Susanne Schneider, die solche Feiern im "Raum der Stille" der Leipziger "Kontaktstelle Orientierung" anbietet. Aus der Wissenschaft erhalten sie und die anderen Veranstalter viel Lob. Auch solche Angebote haben "zumindest etwas Gottesdienstliches", meint die in Chur und Luzern lehrende Liturgiewissenschaftlerin Birgit Jeggle-Merz. Der Salzburger Dogmatiker Hans-Joachim Sander sieht in ihnen einen Ansporn für die Kirchen, ihre traditionellen Formen fortzuentwickeln.

Vor allem unter Protestanten sind die Vorbehalte nach Einschätzung des Berliner Theologen Albrecht Döhnert jedoch weiterhin groß. Noch macht der Vorwurf einer "Konfirmation light" des damaligen Berliner Bischofs Wolfgang Huber die Runde, der vor kirchlichen "Schmalspurangeboten" warnte. Dennoch gibt es auch in der evangelischen Kirche solche Feiern bereits "punktuell".


Quelle:
KNA