14 Millionen Bürger in NRW zur Abstimmung über EU-Parlament aufgerufen - Europakandidaten kämpfen um Aufmerksamkeit

Die ungeliebte Wahl

Es war für die Redner hart, aber es entsprach der politischen Realität. Als die NRW-Spitzenkandidaten von SPD und CDU bei den letzten Landesparteitagen vor wenigen Wochen ans Rednerpult traten, ging die Aufmerksamkeit der Delegierten jeweils spürbar zurück. Elmar Brok (CDU) und Martin Schulz (SPD) konnten in Essen und Halle noch so leidenschaftlich für ihre Vision in Europa werben - dennoch zogen es etliche Parteifreunde vor, einen Kaffee trinken zu gehen oder eine Raucherpause einzulegen.

 (DR)

Das Desinteresse zahlreicher Parteitags-Delegierter zeigt: Europa zieht nicht. Geradezu unbeliebt ist die Europawahl bei zahlreichen Parteiaktivisten auch in NRW. «Die wirklich wichtigen Wahlen kommen noch», sagt ein Parteivertreter. Gerade die ehrenamtlichen Politiker in den Städten und Gemeinden sind voll konzentriert auf die NRW-Kommunalwahl am 30. August. Und die Landesparteien richten ihren Blick auf die Bundestagswahl am 27. September, die auch über die Chancen bei der NRW-Landtagswahl 2010 entscheiden wird.

In Nordrhein-Westfalen droht deshalb ein neuer Negativrekord bei der Wahlbeteiligung. Schon an den letzten Europawahlen 2004 hatten sich in NRW nur 41,1 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Die CDU kam damals auf 44,9 Prozent der Stimmen. Die SPD erreichte in NRW nur 25,7 Prozent. Die FDP lag bei 7,5 Prozent. Die Grünen erhielten 12,6 Prozent. Die damals noch PDS genannte Linke kam auf 2,1 Prozent.

Allein in Nordrhein-Westfalen sind rund 14 Millionen Menschen zur Teilnahme an der Wahl aufgerufen. 96 Prozent der Wahlberechtigten besitzen nach Angaben des Statistischen Landesamts die deutsche Staatsangehörigkeit. Bei den übrigen Wahlberechtigten handelt es sich um in NRW wohnende Staatsangehörige der übrigen EU-Staaten. Erstmals bei einer Europawahl wahlberechtigt sind den Angaben zufolge in Nordrhein-Westfalen etwa 957 000 junge Frauen und Männer im Alter von 18 bis unter 23 Jahren.

Bei der letzten Europawahl 2004 zogen nach Auszählung des bundesweiten Wahlergebnisses 21 Politiker aus NRW in das EU-Parlament ein. Insgesamt entsendet Deutschland 99 Abgeordnete. Mit den vorläufigen amtlichen Ergebnissen aus Kommunen wird am Wahlsonntag ab 19.30 Uhr gerechnet. Das vorläufige Endergebnis für ganz Nordrhein-Westfalen kommt wohl erst am späten Abend.

Mit allen Mitteln versucht die Landesregierung, vor dem Urnengang die Bürger zu mobilisieren. In Düsseldorf fand vor dem Landtag ein Europatag statt, in einer «Europabox» konnten Menschen dort ihre Erwartungen an die EU per Video-Botschaft loswerden.

Für Jugendliche bietet das Land sogar eine Popversion der Europa-Hymne als kostenlosen Handy-Klingelton an. «Wir wollen junge Menschen über ihre Gewohnheiten und Vorlieben ansprechen und mit dem Handy-Klingelton einen spielerischen Zugang zu Europa ermöglichen», sagt Europaminister Andreas Krautscheid (CDU). Ob die Popversion von Beethovens «Ode an die Freude» die Europamüdigkeit der Bürger beenden kann, erscheint allerdings fraglich.

In den verbleibenden Tagen bis zur Wahl bleibt also noch viel Arbeit für die NRW-Spitzenkandidaten. Neben Schulz und Brok sind dies Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Sven Giegold (Grüne) und Jürgen Klute (Linke). Alle Spitzenkandidaten dürften dem nächsten EU-Parlament angehören. Auf den Bundeslisten ihrer Parteien wurden sie auf vorderen Listenplätzen abgesichert.