100 Tage Bolsonaro

 (DR)

Bolsonaro hatte im Wahlkampf mit Hassreden gegen Homosexuelle, Frauen und Schwarze schockiert; die Wut vieler Wähler auf die verbreitete Korruption unter Politikern sowie die steigende Gewalt trugen ihn dann aber zum Sieg. Nun, inmitten einer Wirtschaftsflaute, einer Lockerung des Waffenbesitzes per Dekret und ersten Skandalen seiner Partei PSL kassiert er die schlechtesten Zustimmungswerte eines erstmals amtierenden Präsidenten nach 100 Tagen im Amt seit 1990: In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Datafolha bewerteten 30 Prozent ihn und seine Regierung als negativ.

"Wir beobachten, wie schon jetzt die in der Verfassung von 1988 verankerten Rechte Stück um Stück zurückgedreht werden", sagt Markus Löning, der frühere Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, der Unternehmen bei Investitionen im Ausland, über die dortige Menschenrechtslage berät. In jener Verfassung, mit der Brasilien zur Demokratie zurückkehrte, waren auch den mehr als 300 indigenen Völkern weitgehende Rechte zum Erhalt ihrer Lebensräume und Kultur garantiert worden.

Auch die Nachfahren von Sklaven sowie Flussbewohner müssen nun mehr denn je um ihre Lebensräume im Amazonasgebiet bangen. Im Kampf um Land wird dabei oft mit gefälschten Urkunden getrickst, weiß Jucelino Oliveira Farias von der Comissão Pastoral da Terra, einer Organisation der katholischen Kirche Brasiliens. "Von der Landaneignung profitieren vor allem Unternehmer und Großbauern und nur ein ganz geringer Teil der Bevölkerung", meint Staatsanwalt de Camões Lima Boaventura. Die Folgen sind für die meisten Gewalt, Kriminalität, zerstörte Familien und große Umweltschäden. Europa könne da sehr wohl Einfluss nehmen, etwa als großer Importeur von Holz. "Eine Lösung wäre, dass die Unternehmen stärker darauf achten, ob die Produkte legal hergestellt wurden".

Das Boot der Parakanã erreicht nach mehreren Stunden Bootsfahrt den Posten der Funai. Doch zu einer Anzeige kommt es dort nicht. "Der Funai-Chef weiß über die Lage Bescheid", meint Kawore Parakanã, ein Sprecher der Indigenen. "Aber er unternimmt nichts, wegen der neuen Regierung. Das war früher anders". Auf der Rückfahrt zu ihrem Dorf steigt ein anderer Indigener auf eines der Flöße der Goldwäscher, die mit ihrem Quecksilber den Fluss vergiften. Er fordert sie auf, das Gebiet zu verlassen. Und wenn sie bleiben? "Dann sage ich ihnen morgen wieder, dass sie verschwinden sollen". (dpa, 8.4.19)