100 Jahre "Läuterkompanie" Glocken im Xantener Dom

"Zieht durch, Jungs"

Gestandene Männer ziehen an 40 Meter langen Seilen und bringen tonnenschwere Glocken hoch über ihnen zum Klingen. Die Arbeit der "Läuterkompanie" im Xantener Dom hat eine lange Tradition. Fehler könnten für Unruhe in der Stadt sorgen.

Autor/in:
Rolf Schraa
Läuterkompanie am Xantener Dom / © Christoph Reichwein (dpa)
Läuterkompanie am Xantener Dom / © Christoph Reichwein ( dpa )

"Zieht durch, Jungs", ruft Küster Bruno Müller, und sieben Männer hängen sich in die 40 Meter langen Seile. Hoch über ihnen im Südturm des Xantener Doms fangen drei riesige Glocken hintereinander an zu schwingen. Die Männer der "Läuterkompanie" läuten den Sonntag ein - mit Muskelkraft und nach jahrhundertealter Tradition. Die "Läuterkompanie", die sich regelmäßig samstagabends und sonntags im Westchor des Doms zu diesem Dienst trifft, hat vor kurzem ihren 100. Geburtstag gefeiert.

Läuterkompanie am Xantener Dom / © Christoph Reichwein (dpa)
Läuterkompanie am Xantener Dom / © Christoph Reichwein ( dpa )

St. Viktor in Xanten am Niederrhein ist eine der letzten großen Kirchen in Deutschland, deren Glocken noch von Hand geläutet werden.

Klangfolge ist streng geregelt 

Zu den drei Glocken am Seil kommen sechs weitere, die maschinell bedient werden. Die Klangfolge ist streng geregelt und unterscheidet sich je nach Festtag und Anlass. Ein Plan mit der "Läutordnung" an der Wand im Dom zeigt den Männern, wie sie wann zu läuten haben. 

Läuterkompanie am Xantener Dom / © Christoph Reichwein (dpa)
Läuterkompanie am Xantener Dom / © Christoph Reichwein ( dpa )

Fehler könnten für erhebliche Unruhe in der ganzen Stadt sorgen: "Unsere größte Glocke, die "Viktor", wird nur zu besonderen Anlässen und fast nie allein geläutet", erklärt Küster Müller, zugleich Obmann der "Läuterkompanie". "Und wenn sie allein als Totenglocke läutet, ist etwas Schlimmes passiert - zum Beispiel der Papst, der Bischof oder der Probst gestorben."

Die "Viktor"-Glocke ist weit über 500 Jahre alt - 1450 wurde sie gegossen, noch vor Beginn der Reformation. Die Bronzeglocke wiegt 2300 Kilogramm und wird mit einem Schwungrad bewegt. Unten ziehen drei Männer gleichzeitig am Seil, bis sie ihren tiefen, dunklen Ton erklingen lässt. 

Spuren von Kriegsschäden

Dom St. Viktor in Xanten (dpa)
Dom St. Viktor in Xanten / ( dpa )

Wer die rund 190 ausgetretenen Stufen in den Glockenturm steigt, sieht das uralte hölzerne Glockengestühl mit den Aufhängungen der Glocken und Spuren von Kriegsschäden an den Wänden. "Das sind die Folgen von Artilleriebeschuss im Zweiten Weltkrieg", sagt Tobias Schrörs, der zum Jubiläum eine Festschrift erarbeitet hat. "Viktor" wurde dabei beschädigt und später repariert. Vor kurzem hätten sich aber Haarrisse in der Glocke gezeigt. Sie dürfe deshalb nur noch zu besonderen Anlässen und vorsichtig geläutet werden.

Läuterkompanie am Xantener Dom / © Christoph Reichwein (dpa)
Läuterkompanie am Xantener Dom / © Christoph Reichwein ( dpa )

Nach gut fünf Minuten beendet Küster Müller dann auch den Einsatz von "Viktor". Die beiden anderen Glocken "Helena" und "Anna und Antonius" klingen noch etwas länger. Dann hören die Männer auf zu ziehen.

Unter ihnen ist Bernd Ahls, einer der dienstältesten der 14-köpfigen Kompanie. Er läutet seit 54 Jahren regelmäßig - Samstagabend zur Einstimmung auf den Sonntag und am Sonntag zu den drei Messen des Tages. Urlaub macht er im Schnitt nur zwei bis drei Wochen im Jahr - ansonsten steht er seit 1970 an fast jedem Wochenende an einem der Seile. Lange Jahre wohnte er direkt neben dem Dom.

Frauen willkommen

Läuterkompanie am Xantener Dom / © Christoph Reichwein (dpa)
Läuterkompanie am Xantener Dom / © Christoph Reichwein ( dpa )

"Ich bin tief mit dem Dom verwurzelt", sagt er, "mein Vater hat schon geholfen, ihn nach dem Krieg wieder aufzubauen". "Wir wollen diese Tradition erhalten", sagt Kompagnon Paul Kaufmann. Dass dabei die Kompanie bisher nur aus Männern bestehe, sei keineswegs Absicht, betont Obmann und Küster Müller. "Wir würden uns über Frauen und überhaupt über jüngere Teilnehmer sehr freuen." 

Xanten: Fünf Fragen – fünf Antworten

Was sind die zentralen Stationen des Jubiläums?

Schon seit Jahresbeginn wird in Xanten mit liturgischen Feiern und einem Kulturprogramm mit Konzerten, Ausstellungen und Vorträgen das Jubiläum des gotischen Domes begangen. Das Motto des Festjahres stammt aus dem Ersten Petrusbrief und lautet: "Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein".

Viktorschrein in Xanten (KNA)
Viktorschrein in Xanten / ( KNA )

 

Quelle:
dpa