Über den Streit um die Hagia Sophia

Ach Du Heilige Weisheit!

Die Hagia Sophia wird wieder eine Moschee. Wir Christen müssen das als Chance auf Dialog mit unseren muslimischen Schwestern und Brüdern ansehen, findet DOMRADIO.DE-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.

 (DR)

Weisheit fehlt oft gerade da, wo man sie dringend braucht. Beim Streit um die Heilige Weisheit – die Hagia Sophia – wird das jetzt wieder deutlich: Seitdem klar ist, aus dem weltberühmten Museum darf wieder eine Moschee werden, tobt ein erbitterter Kampf. Sind wir vielleicht schon wieder im Heiligen Krieg? Manche Rhetorik lässt das vermuten. Erdogan geht es vermutlich auch nicht primär um einen Gebetsort für Muslime, sondern er missbraucht die Hagia Sophia für politische Zwecke. So fehlt es nicht an Provokationen und gegenseitigen Beschuldigungen. Steht also der Untergang des christlichen Abendlandes jetzt endgültig vor der Tür?

In einer Zeit, in der hier bei uns Kirchen überwiegend leer stehen, in Kneipen umgewandelt oder abgerissen werden, sollten Christen den Ball flach halten. Ja, es gibt eine schmerzhafte, lange Geschichte – aber für Christen und Muslime! Bei all der Symbolik, die Gebäude besitzen – die Kirche Gottes ist eine Kirche der Menschen, nicht der Steine. Es geht nicht um den Fall Konstantinopels. Aus einem christlichen Gotteshaus wurde eine Moschee, dann ein Museum und jetzt wieder eine Moschee. Ein Ort, an dem Muslime sich treffen. Primär ein ritueller Ort des Gebetes. Warum sehen wir Christen es nicht als Chance an? Chance für den Dialog mit unseren muslimischen Schwestern und Brüdern, die nach unserem christlichen Verständnis auch alle Kinder des einen Gottes sind – genau so geliebt wie wir!

Im Museum der Hagia Sophia war jedes Gebet verboten. Trotzdem hob Papst Benedikt XVI. dort die Augen zum Himmel. Für viele war das ganz klar ein stilles Gebet. Der Heilige Johannes Paul II. besuchte als erster Papst ein islamisches Gotteshaus – die Omaijaden-Moschee – zog seine Schuhe aus und betete dort mit dem Großmufti Scheich Ahmad Kuftaro. Vielleicht hilft es, sich an die Worte des Heiligen Johannes Paul II. zu erinnern: „Wann immer Muslime und Christen einander gekränkt haben, müssen wir den Allmächtigen dafür um Vergebung bitten und einander die Vergebung anbieten!“ Wie wahr! Der Allmächtige wird in seiner unendlichen Güte und Weisheit schon mit den verschiedenen Anbetungen klarkommen. Selbst, wenn es da ein ganz unterschiedliches Gottesverständnis gibt und für Muslime Jesus Christus nicht die Hagia Sophia – die Heilige Weisheit ist.

 



Ihr
Ingo Brüggenjürgen
Chefredakteur DOMRADIO.DE

PS: „Wer mit den Weisen umgeht, der wird weise; wer aber der Toren Geselle ist, der wird Unglück haben!“ Die Bibel (Spr 13,20) empfiehlt also den Umgang mit den Weisen... Und wenn Sie dann noch Ihren „guten Draht nach oben“ nutzen, sollte sich das Unglück eigentlich vermeiden lassen... ;-)