Über die richtige Predigtlänge

Ist Predigtschlaf gesund?

Wer länger als fünf Minuten predigt, soll Strafe zahlen. Diese Androhung des Erzbischofs von Santa Fe in den USA sorgt für Diskussionen. Kann man überhaupt in fünf Minuten den Menschen das Evangelium verkünden? Ingo Brüggenjürgen meint: Es gibt Wichtigeres als die Länge.

 (DR)

Mein Vater hat eine wunderbare Gabe: Wenn er seine Augen schließt, weiß keiner, ob er hoch konzentriert zuhört oder ob er sich gerade eine kleine Auszeit genehmigt  und schläft. In unzähligen Gottesdiensten, die er als regelmäßiger Kirchgänger in seinen  90 Lebensjahren besucht hat, hat er diese Gabe perfektioniert. Egal ob Dorfpfarrer Hinz oder Prälat Kunz predigt, egal ob lautstark theatralisch oder leise intellektuell – sobald die letzten Worte des Evangeliums verklungen sind und die Predigt beginnt, schließt mein Vater seine Augen. Ob er aufmerksam lauscht oder doch ein kleines Nickerchen einlegt, weiß dann nur der Himmel. Denn wenn man ihn nachher fragt, versichert er mit verschmitztem Lächeln, dass der Predigtschlaf der gesündeste Schlaf sei – um gleichzeitig doch noch einen klugen Satz aus der Predigt zu Besten zu geben. 

Bei der aktuell diskutierten Frage nach der richtigen Predigtlänge würde mein Vater keine Minutenvorgabe machen, aber genügend Zeit für ein Nickerchen sollte es vermutlich schon sein. Bei Predigten stoppt normalerweise auch kein Mensch die Zeit. Der gewöhnlich gut bepredigte Kirchgänger weiß in der Regel schon nach drei Sätzen, ob sich Zuhören oder Abschalten empfiehlt.  Da unterscheidet sich ein Predigt nicht von der Fußballreportage. Beim lustlosen Reporter freut man sich, wenn es nach einer Minute zurück in die angeschlossenen Sendeanstalten geht – und bei einer mitreißenden Reportage bleibt man sogar 90 Minuten plus Verlängerung und Elfmeterschießen am Autoradio, selbst wenn man sein Ziel längst erreicht hat. Es kommt also auf den Prediger und nicht unbedingt die Zeit an. Die durchschnittliche Predigtlänge an Sonn- und Feiertagen im Kölner Dom liegt übrigens, da unsere Medikathek nicht lügt, bei deutlich über 10 Minuten. Im Hohen Dom zu Köln darf es bekanntlich von allem ja gerne ein wenig mehr sein. Gut möglich, dass es auch hier der ein oder andere gerne ein wenig übertreibt. Mein Vater aber hat sich übrigens noch nie über zu lange Predigten beschwert. Denn da es der Herr den Seinen bekanntlich im Schlaf gibt, darf man sich den selbst in der Kirche ruhig mal gönnen. 

 



Ingo Brüggenjürgen
Chefredakteur

 

PS: Der Neue am Kölner Dom kommt zu Fuß. Wenn sich am Montagmorgen der zukünftige Dompropst Msgr. Guido Assmann auf den Weg von Neuss nach Köln macht, hat das eine gute Tradition. Bei jedem neuen Arbeitsplatz hat Assmann den „Antritt“ wörtlich genommen und sich auf Schusters Rappen seiner neuen Wirkungsstätte genähert. Ein tolles Signal, wenn man bedenkt, dass Kirche seit 2000 Jahren auf dem Weg ist. Unser guter Draht nach oben wird den neuen Dompropst medial begleiten – wir sind ja auch schon 20 Jahre auf SENDUNG! ;-)