Politik plant Gottesdienste in Dänemark nur noch in Landessprache

"Vertrauen ist besser als Kontrolle"

Gottesdienste sollen in Dänemark nur noch in Landessprache stattfinden. Auch die deutsche Minderheit kritisiert diesen Schritt. Schwester Anna Mirijam Kaschner, Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz, plädiert für mehr Vertrauen.

Symbolbild Predigt / © Zolnierek (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Welche Auswirkungen konkret hat dieses Gesetzesvorhaben für die deutschen und auch für die färöischen und grönländischen Gemeinden?

Schwester Anna Mirijam Kaschner CPS (Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz): Ich würde sogar sagen, es hat noch größere Auswirkungen. Es trifft im Grunde alle christlichen Glaubensgemeinschaften und Freikirchen – die katholische Kirche unter anderem. Es bedeutet, dass wir alle Predigten, die in den Gottesdiensten gehalten werden, übersetzen und dann auch noch veröffentlichen müssen.

Das sind natürlich enorme personelle und finanzielle Herausforderungen, vor denen wir da stehen, gerade wenn es sich um kleinere Gemeinden oder kleinere Kirchen handelt. Das macht es wirklich schwierig für uns.

DOMRADIO.DE: Viele Menschen verstehen aber die Landessprache nicht gut und gehen lieber in einen Gottesdienst ihrer Heimatsprache?

Kaschner: Richtig. Das war bis jetzt auch immer im Sinne des Staates. Denn die Menschen, die nach Dänemark kommen, sind im ersten Umgang ja nicht mit der dänischen Sprache vertraut. Und das, was Vertrautheit schafft, ist zum Teil auch die Religionsausübung. Das heißt, viele der Einwanderer, auch unserer Katholiken, die nach Dänemark kommen, suchen zunächst einmal katholische Gottesdienste auf, weil sie sich hier heimisch fühlen. Und das sind in der Regel natürlich erst mal nicht dänische Gottesdienste, sondern da kann es kroatisch sein, litauisch sein, vietnamesisch – was auch immer.

DOMRADIO.DE: Inwieweit regt sich denn bereits Widerstand gegen dieses geplante Gesetz?

Kaschner: Der Widerstand ist relativ groß, und zwar nicht nur vonseiten der deutschen Gemeinden oder vonseiten der katholischen Kirche, sondern der dänische Rat der Kirchen, in dem alle christlichen Glaubensgemeinschaften und Kirchen versammelt sind, hat sich sowohl an die Kirchenministerin gewandt als auch an die Staatsministerin und hat ihre Vorbehalte sehr deutlich eingebracht. Wir müssen jetzt abwarten. Im Februar wird das Gesetz weiterverhandelt, dann müssen wir sehen, inwieweit die Vorbehalte auch haben.

DOMRADIO.DE: Was genau ist der Zweck dieses geplanten Gesetzes?

Kaschner: Es wird nicht so direkt und öffentlich gesagt, aber das, was im Grunde aus Aussagen von Politikern so zwischen den Zeilen zu hören ist, ist, dass sich dieses Gesetz hauptsächlich gegen die Muslime richtet. Man will dabei verhindern, dass - wie die Befürworter sagen - Parallelgesellschaften entstehen in Glaubensgemeinschaften. Man will verhindern, dass dort Dinge gepredigt werden, die kein anderer versteht, aber die eventuell zur Radikalisierung und ja, auch zu dem Aufruf von Terror genutzt werden können.

DOMRADIO.DE: Also im Grunde ist das ein kleines Anti-Terror-Gesetz?

Kaschner: Könnte man so sagen, ja.

DOMRADIO.DE: Wie kann man denn möglicherweise auf anderen Wegen kontrollieren, was gepredigt wird?

Kaschner: Ich denke, dass Predigten an sich ja nur ein ganz kleiner Teil von Religionsgemeinschaftsbewegungen sind. Wenn man wirklich dem ganzen an die Wurzel kommen möchte, was Hasspredigten usw. angeht oder überhaupt die ganze Einstellung zu einem demokratischen Staat und so weiter, dann wäre es sehr viel besser, man würde den Einsatz der jeweiligen Glaubensgemeinschaften für Integration würdigen. Das Ganze also positiv zu unterstützen, anstatt es negativ unter einen Generalverdacht zu stellen. Denn das ist eigentlich das, was passiert.

Alle Kirchengemeinden, alle freikirchlichen Gemeinden, jüdischen Gemeinden, alles, was wir hier in Dänemark haben, – wir sprechen von 40 verschiedenen Glaubensgemeinschaften, – werden durch dieses Gesetz generell unter einen Verdacht gestellt: Überall, wo nicht Dänisch gepredigt wird, passiert irgendetwas, was hier die Demokratie unseres Landes unterwandert. Und das ist generell schon mal sehr schlecht, finde ich.

DOMRADIO.DE: Es gibt Amtskolleginnen und Kollegen von Ihnen, die sprechen von Kontrolle und Zensur. Würden Sie das auch so benennen wollen?

Kaschner: Ich denke, es ist auf jeden Fall eine Kontrollmaßnahme. Und sie ist eigentlich nur der letzte Punkt momentan in einer längeren Reihe von Kontrollmaßnahmen durch den Staat. Im Jahr 2017 wurde das sogenannte Imamgesetz eingeführt, das sich genau gegen ausländische Verkünder richtet. Hier war klar, jeder Priester oder jeder Pastor, der irgendwie Eheschließungen vornehmen möchte, muss einen verpflichtenden Kurs mitmachen in Themen wie Demokratieverständnis, Freiheitsverständnis und so weiter. Das hört sich erst einmal gut an, denn alle haben damit den gleichen Stand. Aber das Problem ist, dass sogar dänische Priester, die in Dänemark geboren und aufgewachsen sind, an diesem Kurs teilnehmen müssen. Nur die evangelischen Pastoren eben nicht.

In der Folge kam das sogenannte Glaubensgemeinschafts-Gesetz von 2018. Auch das sollte sich eigentlich gegen die Muslime richten, trifft aber auch wieder alle Glaubens- und Religionsgemeinschaften. Hier möchte man Geldströme kontrollieren. Wer bekommt Spenden aus dem Ausland? Alle Gemeinden, alle Ordensgemeinschaften müssen beispielsweise die Jahresbilanz einreichen. Bei Spenden über 2500 Euro, die von Unternehmen, Glaubensgemeinschaften oder Organisationen gespendet werden, muss der Spendername veröffentlicht werden. Und das hat dummerweise Konsequenzen nicht für die radikalmuslimischen Glaubensgemeinschaften, denn die sind gar nicht anerkannt hier im Land. Das trifft die kleineren Glaubensgemeinschaften, insbesondere auch Freikirchen, die katholische Kirche usw..

DOMRADIO.DE: Gibt es eine Botschaft oder eine Idee, die Sie den Politikerinnen und Politikern mit auf den Weg geben würden? 

Kaschner: Vertrauen ist besser als Kontrolle. Das ist anders, als wir das sonst kennen...

DOMRADIO.DE: Ja, sonst sagen wir: "Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser".

Kaschner: Genau, richtig. Aber hier in diesem Zusammenhang würde ich es ganz gerne erst einmal andersherum sehen. Und es wäre sicherlich im Rahmen von ausländischen Verkündern, die ins Land kommen, positiv, dass hier ein gewisser Dialog zwischen den verschiedenen Glaubensgemeinschaften in Gang gesetzt wird. Ich glaube, da würde sehr viel mehr positive Kontrolle, wenn man es so sagen will, entstehen, als wenn jetzt von staatlicher Seite durch Gesetze eingegriffen und über Zwangsübersetzungen usw. gesprochen wird.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


 Sr. Anna Mirijam Kaschner / © Julia Rathcke (KNA)
Sr. Anna Mirijam Kaschner / © Julia Rathcke ( KNA )
Quelle:
DR