Kirche in Belarus ruft zum Gebet auf – und wird Ziel von Repressionen

"Betet für die Fürsprache des Erzengels Michael"

Angesichts der schweren politischen Krise in Belarus ruft die katholische Kirche zu Gebeten für das Land auf – und ist nun auch staatlicher Repression ausgesetzt. Der staatliche Hörfunk übertrug am Sonntag nicht mehr die Messe aus der Minsker Kathedrale.

Proteste in Belarus / © Dmitri Lovetsky (dpa)
Proteste in Belarus / © Dmitri Lovetsky ( dpa )

Vor einer Woche hatte der Sender erstmals mit der langen Tradition gebrochen, den Gottesdienst live auszustrahlen.

Damit will der Sender laut Beobachtern mögliche Kritik an der Staatsführung aus seinem Programm fernhalten. Die katholische Kirche rief unterdessen zu Gebeten für Belarus auf. Die Menschen sollten im September für die Fürsprache des Erzengels Michael, Hauptpatron der Kirche in Belarus, beten, "die Eskalation des Konflikts zu beenden und die Krise schnell zu lösen", heißt es in einem Hirtenbrief des Minsker Erzbischofs Tadeusz Kondrusiewicz, der am Sonntag in den katholischen Kirchen des Landes verlesen wurde.

"Unser Vaterland erlebt eine gesellschaftspolitische Krise ohnegleichen, die Tag für Tag größer wird", so der Vorsitzende der Bischofskonferenz von Belarus im Hirtenbrief. Blut sei vergossen worden und viele Menschen seien verletzt worden. Die Spaltung der Gesellschaft nehme zu. Immer mehr mache die Runde, dass die "Gefahr des Bürgerkriegs" zunehme. Die Krise sei eine "zwangsläufige Folge der Sünde der Gesetzlosigkeit".

EIn vorsichtiger Hirtenbrief

Der Erzbischof blieb in seinem Text sehr allgemein und erwähnte mit keinem Wort Präsident Alexander Lukaschenko oder die Staatsführung. Anders als zuvor sprach er sich nicht erneut für einen nationalen Dialog zur Überwindung der Krise aus. Er brachte die Krise lediglich mit der Präsidentenwahl vom 9. August in Verbindung, erwähnte aber nicht den Vorwurf der Fälschung des Wahlergebnisses zugunsten Lukaschenkos.

Stattdessen mahnte er in einem anderen Zusammenhang, anstelle der Lüge müsse die Wahrheit herrschen, anstelle des Bösen das Gute sowie anstelle des Hasses die Liebe.

Seit Wochen protestieren die Menschen

In Belarus gehen seit der umstrittenen Wahl täglich Menschen auf die Straße und fordern Neuwahlen sowie die Freilassung der festgenommenen Regierungskritiker. Polizisten töteten mindestens zwei Demonstranten. Laut Innenministerium kamen am Samstag weitere 29 Menschen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz in Haft. Am Sonntag gab es in Minsk trotz Protestverbot erneut eine Großdemonstration gegen Lukaschenko.

Der neue orthodoxe Minsker Metropolit Benjamin rief für Sonntagabend zu landesweiten Gebeten sowie zu Fasten und persönlicher Reue als Weg zum Frieden auf. Die Mehrheit der 9,5 Millionen Belarussen sind orthodoxe Christen, etwa 10 bis 15 Prozent sind katholisch.

Demonstranten in Kirche eingesperrt

Kondrusiewicz hatte am Donnerstag die Blockade der Türen einer katholischen Kirche in Minsk durch bewaffnete Polizisten der Spezialeinheit Omon scharf verurteilt. In der Kirche wurden am Mittwochabend mehrere Dutzend Demonstranten für 40 Minuten eingesperrt, die dorthin vor der Polizei geflohen waren. Es handle sich um eine "grobe Verletzung der Rechte der Gläubigen und der Religionsfreiheit", so der Erzbischof. Er forderte eine Bestrafung der Verantwortlichen des "unangemessenen und rechtswidrigen" Polizeieinsatzes.

Der katholischen Kirche gehören etwa 10 bis 15 Prozent der 9,5 Millionen Belarussen an. Die Mehrheit der Bürger des Landes sind orthodoxe Christen.


Eine Menschengruppe hält Schilder zu dem Wort "Belarus" auf dem Petersplatz in die Luft / © Evandro Inetti/ZUMA Wire (dpa)
Eine Menschengruppe hält Schilder zu dem Wort "Belarus" auf dem Petersplatz in die Luft / © Evandro Inetti/ZUMA Wire ( dpa )
Quelle:
KNA