Kamala Harris ist die Hoffnungsträgerin der US-Demokraten

Multikulturell, religiös und nicht konfliktscheu

​Den einen ist sie nicht "schwarz" genug, die anderen fabulieren darüber, ob Kamala Harris aufgrund ihrer Herkunft überhaupt US-Vizepräsidenten werden darf. Nicht nur deshalb lohnt ein Blick auf ihre Biografie.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Kamala Harris / © John Locher/AP (dpa)
Kamala Harris / © John Locher/AP ( dpa )

Wenn Kamala Harris über ihre erste Erfahrung mit Gott nachdenkt, fällt ihr die "23rd Avenue Church of God" im kalifornischen Oakland ein. In dieser Baptisten-Gemeinde habe sie das Bild eines "liebenden Gottes" kennengelernt, schrieb sie in einem Essay. Seit ihren Kindheitstagen sei Glaube für sie etwas, das durch praktisches Handeln mit Leben gefüllt werden müsse.

Anders als der frisch nominierte demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden, der aus einer irisch-katholischen Familie stammt, hat seine Vizepräsidentschaftskandidatin Harris multireligiöse Wurzeln. Sie steht für jene wachsende Gruppe an US-Amerikanern, die aufgrund ihrer gemischten ethnischen und kulturellen Herkunft gelebte Erfahrung mit verschiedenen Religionen mitbringen.

"Alle Religionen lehren uns, nach Gerechtigkeit zu streben"

Ihre Mutter Shyamala, eine Krebsforscherin, stammt aus Indien, ihr Vater Donald, ein Wirtschaftsprofessor, aus Jamaika. Kamala, deren Name im Sanskrit "Lotus" bedeutet, lernte als Kind die religiöse Heimat ihrer Mutter kennen, den Hinduismus. Heute sagt sie: "Alle Religionen lehren uns, nach Gerechtigkeit zu streben."

Pastor Amos Brown von der "Third Baptist Church" in San Francisco, in der Harris gelegentlich beim Gottesdienst gesehen wird, findet, die Politikerin verbinde "Spiritualität und Genie" und stehe für eine gewaltfreie Tradition der afroamerikanischen Gemeinschaft. Harris' multikulturelle Biografie ähnelt sehr der von Barack Obama - was bei Bidens Wahl auch eine Rolle gespielt haben dürfte.

Politische Haltung zu Israel unklar

Ihre Heirat 2014 mit Douglas Emhoff brachte Harris dann auch in engeren Kontakt mit dem Judentum. Ihre politische Haltung zu Israel beurteilen jüdische US-Organisationen sehr unterschiedlich. In der eher liberalen "J Street"-Lobby hat sie nur wenige Anhänger. Dafür sprach sie schon zweimal bei der Jahreskonferenz der größten Pro-Israel-Gruppe AIPEC.

Die 55-Jährige scheut keine Konflikte - auch das zeigt sich an ihrem Verhältnis zu den Religionen. Als Bezirksanwältin von San Francisco und später als Generalstaatsanwältin von Kalifornien geriet sie in die Schusslinie kirchlicher Missbrauchsopfer. Die Forderung, Akten über Täter herauszugeben, blieb unbeantwortet, hält ein Sprecher kalifornischer Betroffener Harris bis heute vor. Sie sei nicht proaktiv gegen die betreffenden Priester vorgegangen - was Harris zurückwies.

Harris für legale Schwangerschaftsabbrüche

Negative Aufmerksamkeit in konservativen Kirchenkreisen zog sie 2014 auf sich, als sie als Generalstaatsanwältin in einem Rechtsstreit um Verhütung im Rahmen der Gesundheitsreform Partei für dem damaligen US-Präsidenten Obama ergriff. Das oberste Gericht bezog damals die gegenteilige Position - und erlaubte religiösen Arbeitgebern, ihren Angestellten die Finanzierung von Verhütungsmitteln aus Gewissensgründen zu verweigern.

Auch Harris' Unterstützung für die umstrittene Gesundheitsorganisation Planned Parenthood macht Bidens "Running Mate" (Vize-Kandidat) für viele konservative Christen unwählbar. Die Gruppe bietet in einigen ihrer Zentren die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen an, für deren legalen Zugang sich Harris starkmacht.

Doch es gibt auch andere Stimmen. Schwester Simone Campbell vom "Netzwerk für katholische soziale Gerechtigkeit" nimmt Harris vor dem Vorwurf konservativer Kirchenkreise in Schutz, "antikatholisch" zu sein. Das sei ein durchsichtiger und "politisch motivierter" Angriff. Ihre Organisation stehe "zu 100 Prozent" hinter der Kandidatin.

Zu ihren Unterstützern gehört auch die "Poor Peoples Campaign" des Predigers William Barber, der ein Netzwerk progressiver Kirchen anführt. "Ein guter Nachbar zu sein, heißt nicht bloß, dieselbe Postleitzahl zu teilen", sagte Harris bei einem Forum der "Armen-Kampagne" 2019; der Nächste sei "der, an dem man auf der Straße vorbeigeht".


Quelle:
KNA