"Bleiburg-Gedenkgottesdienst" in Sarajevo ruft Proteste hervor

Umstrittene Messe

Sarajevos katholischer Kardinal Vinko Puljic hat am Samstag in der bosnischen Hauptstadt einen Gedenkgottesdienst zum 75. Jahrestag der "Tragödie von Bleiburg" am Ende des Zweiten Weltkriegs gefeiert. ​Die Veranstaltung wurde von Protesten begleitet.

Kriegsgräberstätte für gefallene Soldaten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg auf dem Nordfriedhof in Bonn / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Kriegsgräberstätte für gefallene Soldaten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg auf dem Nordfriedhof in Bonn / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Man gedenke "aller Opfer von Bleiburg und aller Opfer der Kriegs- und Nachkriegszeit", betonte Puljic bei dem Gottesdienst, der live im kroatischen und bosnischen Fernsehen übertragen wurde. Er wolle keine Bitterkeit provozieren, verteidigte der Kardinal die Messe erneut als Totengedenken. Niemand habe aber das Recht, die Toten von Bleiburg, die 1945 "Opfer von Hass und Gewalt" geworden seien, und den Schmerz ihrer Angehörigen zu ignorieren.

Wegen der Anti-Corona-Vorschriften nahmen nur rund 20 geladene Gäste an dem Gottesdienst teil. Puljic leitete die Messe gemeinsam mit dem vor wenigen Wochen ernannten Erzbischof-Koadjutor Tomo Vuksic.

Im Frühjahr 1945 waren Zehntausende Kroaten und Slowenen vor der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee nach Kärnten geflohen und wollten sich auf dem Loibacher Feld bei Bleiburg unter den Schutz der Briten stellen. Unter den Flüchtlingen waren zahlreiche Mitglieder der kroatischen Ustascha-Miliz und der slowenischen Landwehr, die mit den Nationalsozialisten kollaboriert hatten, aber auch einfache Soldaten und Zivilisten. Die Briten verweigerten eine Aufnahme und ließen die Flüchtlinge wieder zurück nach Jugoslawien bringen. Dabei wurden unterschiedlichen Schätzungen zufolge bis zu 100.000 Menschen getötet.

Protestmarsch durch das Stadtzentrum

Rund um die Herz-Jesu-Kathedrale hatten die Behörden eine Platzsperre am Samstag ausgerufen. Nach Medienberichten beteiligten sich mehrere tausend Menschen an einem Protestmarsch durch das Stadtzentrum, zu dem der bosnischen Bund der Antifaschisten und Kriegsveteranen aufgerufen hatten.

In der bosnischen Öffentlichkeit hatte es schon in den vergangenen Tagen massive Kritik an der Feier gegeben. Zahlreiche Politiker sowie Stimmen aus der Zivilgesellschaft und anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften riefen Puljic zur Absage auf.

Der Präsident der jüdischen Gemeinde in Sarajevo, Jakob Finci, schrieb in einem Offenen Brief, der Gottesdienst "erinnert an die Henker unserer Mütter, Väter, Großväter, Landsleute und aller anderen unschuldigen Menschen, die vom faschistischen 'Unabhängigen Staat Kroatien' getötet wurden".

Pläne durch Corona-Pandemie geändert

Auch in der kroatischen Hauptstadt Zagreb gab es am Samstag eine Gedenkzeremonie mit Gebeten auf den Mirogoj-Friedhof.

Die Gedenken in Sarajevo und Zagreb ersetzten in diesem Jahr den seit langem umstrittenen Gottesdienst auf dem "Loibacher Feld" nahe dem Südkärntner Bleiburg. Kardinal Puljic hätte nach Wunsch der katholischen Bischöfe Kroatiens und Bosniens die diesjährige Gedenkmesse in Kärnten feiern sollen. Der Gottesdienst wurde aber wegen der derzeit geltenden Reisebeschränkungen abgesagt.

Gebet auf dem Friedhof in Unterloibach in Kärnten

In Kärnten selbst fand am Samstag nur ein Gebet auf dem Friedhof in Unterloibach statt, dem ein Seelsorger, Vertreter des Vereins "Bleiburger Ehrenzug" und der kroatische Botschafter Danijel Gluncic beiwohnten. Großer Menschenandrang blieb einem Polizeisprecher zufolge aus, immer wieder kamen aber im Laufe des Vormittages kleinere Gruppen zur Gedenkstätte. Bei einer Demonstration gegen das Treffen wurden 20 Personen gezählt.

Das Gedenken findet bereits seit den 1950er Jahren statt, allerdings gibt es immer wieder Kritik an nationalistischen und extremistischen Umtrieben. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands sprach in den vergangenen Jahren vom "größten Faschistentreffen in Europa", bei dem von den Teilnehmern immer wieder offen NS-Symbole sowie Ustascha-Devotionalien und -Fahnen getragen würden. 2019 untersagte das Bistum Gurk-Klagenfurt die Veranstaltung einer Bischofsmesse.


Quelle:
KNA