Der Fall Fuller - oder wie ein Suizid die Kirche in Nöte bringt

Vermeintlicher Segen für assistierte Selbsttötung

Hat ein katholischer Priester einem 75-jährigen Mann den Segen dazu erteilt, sein Leiden durch medizinisch unterstützten Suizid zu beenden? Der "Fall Bob Fuller" bringt die Erzdiözese Seattle in Nöte.

Priester segnet ein Paar / © Harald Oppitz (KNA)
Priester segnet ein Paar / © Harald Oppitz ( KNA )

Bob Fuller, alt, von Krankheit und Leiden gezeichnet, sitzt in der Kirchenbank der Pfarrgemeinde St. Therese in Seattle. Um den 75-Jährigen herum Alte und Junge; manche halten ihre Hände über oder zu ihm, um Gottes Beistand für den todkranken Mann zu erbitten. Mitten unter ihnen Jesuitenpater Quentin Dupont.

US-Medien berichteten über den Vorgang vom Mai, der immer noch Wellen schlägt. Sie veröffentlichten Fotos, die suggerieren, hier habe ein katholischer Priester einem Sterbenskranken den Suizid abgesegnet. Tatsächlich nahm sich Fuller kurz darauf mit Hilfe eines Gift-Cocktails das Leben.

Die Haltung der Kirche zu Suizid ist eindeutig

Während in den vergangenen zehn Jahren mehr als 1.200 Menschen im Bundesstaat Seattle von einer gesetzlichen Regelung Gebrauch machten, die unter bestimmten Bedingungen medizinisch begleitete Selbsttötung erlaubt, handelt es sich nach katholischer Kirchenlehre um eine unzulässige Grenzüberschreitung. Die Haltung der Kirche zu Suizid ist eindeutig: Das Leben ist ein Geschenk Gottes, das der Mensch nicht nehmen darf.

Jede Form aktiver Sterbehilfe oder Beihilfe zur Selbsttötung kommt daher nicht in Frage. Bejaht wird die medizinische und pflegerische Begleitung Schwerkranker und Sterbender, nicht aber aktives Eingreifen in das natürliche, gottgegebene Leben. Kirchen und andere Organisationen betonen derzeit zum Welttag der Suizidprävention am 10. September, inwieweit etwa die Palliativmedizin das Leben Schwerstkranker erleichtern kann.

Auch Papst Franziskus hat jetzt diese Position noch einmal bekräftigt. Die in einigen Staaten legale Praxis der Sterbehilfe führe "nur scheinbar zu mehr persönlicher Freiheit, da sie in Wirklichkeit auf einem utilitaristischen Menschenbild basiert", sagte er am Montag im Vatikan - ohne dabei auf den konkreten "Fall Fuller" einzugehen.

Der Pastor wusste nichts von den Suizidabsichten Fullers

Er habe absolut nichts von Fullers Suizidplänen geahnt, beteuerte Pater Dupont im Interview des Jesuiten-Magazins "America". Gemeindemitglieder hätten ihm erst nach dem Gottesdienst erzählt, dies sei "Bobs letzte Messe gewesen". Nichts gewusst habe Dupont nach eigener Aussage auch über die "End of Life"-Feier, die Fuller vor seinem Suizid organisiert hatte. Zu dem Durcheinander über die Rolle des Pfarrers hatte der Sterbenskranke selbst beigetragen. In einem Facebook-Post schrieb er wörtlich: "Mein Pastor hat mir den Segen erteilt."

Die Erzdiözese Seattle erklärte, Dupont sei zu keinem Zeitpunkt über die Absichten Fullers informiert gewesen. Die Kirche dulde Suizid in keiner Form. Fürsprecher des sogenannten Todes in Würde verteidigen hingegen die Entscheidung des Patienten mit dessen fehlender Perspektive, sein Leiden auf andere Weise zu beenden.

Gewiss ist Fullers Lebensgeschichte voller Schicksalsschläge. Seine Großmutter litt unter Depressionen und ertränkte sich im Fluss. Er selbst versuchte nach dem Scheitern seiner Ehe, sich das Leben zu nehmen. Er infizierte sich mit dem HI-Virus und erkrankte schließlich an Krebs.

Verwirrspiel um die scheinbare Segnung für Bob Fuller

Als erster US-Bundesstaat hatte Oregon den assistierten Suizid 1994 legalisiert. Im Staat Washington gibt es die Möglichkeit seit zehn Jahren. Bis Anfang 2020 sollen es fast ein Dutzend Bundesstaaten sein. Und der Trend geht weiter in Richtung "selbstbestimmter Tod". Mehr als die Hälfte der US-Bürger halten Umfragen zufolge die vom Arzt unterstützte Selbsttötung für moralisch akzeptabel.

Der Wunsch, seine Zeit auf Erden zu kontrollieren, sei im engeren Sinne des Wortes "unnatürlich", schreibt dagegen der Kolumnist Michael Sean Winters vom "National Catholic Reporter" zum "Fall Fuller". Die heutige Gesellschaft sei in vielerlei Hinsicht grob geworden. Eine "Abwertung des Lebens - sei es im Mutterleib, an der Grenze, in Gefängnissen" geschehe "überall um uns herum".

Das Verwirrspiel um die scheinbare Segnung für Bob Fullers Suizid hat Pater Quentin schockiert. "Das letzte, was ich vorhatte, ist Teil dieses Durcheinanders zu sei", sagte er dem Magazin "America". "Und ich wollte ganz sicher nicht die Lehre der Kirche über die Heiligkeit des Lebens in Frage stellen."

Von Thomas Spang


Quelle:
KNA
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