Religionen in China wachsen - doch die Spielräume werden enger

Wie Gläubige Chinas Kommunisten nervös machen

In China erleben Religionen eine Blütezeit - doch die Regierung setzt ihnen enge Grenzen, steckt sie doch selbst in einer Glaubwürdigkeitskrise. In dieses Klima fällt das jüngst geschlossene China-Vatikan-Abkommen.

Autor/in:
Stefanie Ball
Kruzifix in einer katholischen Kirche in Peking / © Katharina Ebel (KNA)
Kruzifix in einer katholischen Kirche in Peking / © Katharina Ebel ( KNA )

Im Jahr 2017 eröffnete in Guangzhou in Südchina eine Mega-Kirche, sie verfügt über mehrere Räume und ein riesiges unterirdisches Parkhaus. Ganz in der Nähe von Mao Zedongs Geburtsort in der Provinz Hunan wird die Xingsha-Kirche gebaut. Wenn sie fertig ist, wird sie größer sein als jede Statue des Gründers der Volksrepublik China, der während der Kulturrevolution alle religiösen Stätten schließen und Gläubige verfolgen ließ. Doch seit Mao tot ist, wachsen die Religionen wieder, die christlichen Gemeinschaften ebenso wie die in China traditionellen Religionen Buddhismus und Taoismus.

"Religionen erleben in China gerade eine Blütezeit, die Situation ist besser als je zuvor", sagt Martin Lachmann, der für die Amity Foundation arbeitet, eine christliche Nicht-Regierungsorganisation in China. Der US-Amerikaner Ian Johnson, der jahrelang als Reporter in China unterwegs war, schreibt in seinem jüngsten Bericht, das Land befinde sich inmitten einer beispiellosen religiösen Wiederbelebung.

Bald in China die meisten Christen weltweit?

Tatsächlich steigt die Zahl der Menschen, die einer Glaubensgemeinschaft angehören, stetig. Es gibt Prognosen, wonach im Jahr 2030 ausgerechnet im kommunistischen China die meisten Christen weltweit leben werden, rund 200 Millionen. Genaue Angaben zur Zahl der Gläubigen gibt es nicht, nur Schätzungen, und die gehen von derzeit 12 Millionen Katholiken, 60 Millionen Protestanten und 200 Millionen Buddhisten aus.

Doch es gibt auch die anderen Bilder: von Kreuzen, die von Kirchendächern gerissen werden; von kommunistischen Fahnen, die vor Gotteshäusern wehen; von Kindern, die keine Gottesdienste mehr besuchen dürfen; von Kameras, die Gläubige in Kirchen filmen. Es gibt den Präsidenten Xi Jinping, der einen neuen Slogan erfunden hat, nämlich den von der Sinisierung der Religionen. Das ist politisch gemeint und bedeutet, dass Religionen der Führung der kommunistischen Partei folgen sollen. Und es gibt neue Gesetze, deren Ziel vor allem ist, den Graubereich, in dem Religion zum Teil stattfindet, zu schließen.

Gespaltene christliche Kirchen

Die katholische und die evangelische Kirche in China sind gespalten, in eine offizielle Kirche, die unter der Kontrolle des Staates steht, und sogenannte Haus- und Untergrundgemeinden, die unabhängig sind und im Fall der Katholiken dem Papst in Rom die Treue halten. Ihre Existenz wurde bislang mit zwei zugedrückten Augen seitens der lokalen Behörden akzeptiert.

Seit geraumer Zeit sind die Parteikader in Peking jedoch nervös - Grund ist der wachsende Zuspruch zu den Religionen. Das ist für die Kommunisten deshalb ein Problem, weil ihre eigene Ideologie in einer schweren Glaubwürdigkeitskrise steckt: Die Lehre von der Teilhabe aller klingt in einem Land, in dem nach drei Jahrzehnten Turbo-Wachstum die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, wenig überzeugend. Hinzu kommt, dass auf Grund von Arbeitsmigration und Verstädterung die Gesellschaft zunehmend vereinzelt.

Kommunisten sind auf Kirchen angewiesen

"Die Menschen sind auf der Suche nach Sinn und Orientierung angesichts einer Gesellschaft ohne verbindliche Werte und sie sind auf der Suche nach Gemeinschaft", sagt Katharina Wenzel-Teuber, Leiterin des China-Zentrums in Bonn. Die Kommunisten sind also auf die Glaubensgemeinschaften angewiesen, und so lassen sie sie weiter zu - aber zu ihren Bedingungen. Und die schließen blinkende Kreuze, große nicht registrierte Kirchen und Kinder im Bibelunterricht aus.

Die Erklärung dafür, dass der Papst ausgerechnet jetzt, da die Spielräume für Religionen in China enger werden, den Schulterschluss mit Peking sucht, sehen manche Beobachter in dieser - scheinbar - paradoxen Entwicklung. Noch bewegen sich Millionen Chinesen, Pfarrer und Bischöfe im kirchlichen Untergrund und entziehen sich somit dem Einfluss des Staates, sodass Peking - noch - bereit ist, mit dem Vatikan ein Abkommen zu schließen. Für die Regierung letztlich ein großer Schritt, lehnt sie doch ansonsten jegliche Einflussnahme von außen strikt ab. In 20 Jahren, wenn die Untergrundgemeinden womöglich verschwunden sind, würde sie das wohl nicht mehr tun.


Quelle:
KNA