Hilfsorganisation CARE zur Lage im Jemen

"Die Hungersnot ist menschengemacht"

Sollten Saudi-Arabien und ihre Verbündeten ihre Blockadepolitik nicht aufheben, droht Millionen Menschen im Jemen der Hungerstod. Marten Myllius ist Nothilfe-Koordinator des Hilfswerks CARE für den Nahen Osten und berichtet über die Lage.

Menschen erhalten in Sanaa, Jemen, eine Essensration von einer lokalen Wohltätigkeitsorganisation / © Hani Mohammed (dpa)
Menschen erhalten in Sanaa, Jemen, eine Essensration von einer lokalen Wohltätigkeitsorganisation / © Hani Mohammed ( dpa )

domradio.de: In dem ohnehin schon armen Land tobt ein Bürgerkrieg. Noch mal kurz zur Einordnung: Wer steht da gegen wen – und was hat es mit dieser Blockade-Politik auf sich? 

Marten Myllius (Nothilfe-Koordinator des Hilfswerks CARE): Seit zweieinhalb Jahren führt eine von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition einen Krieg gegen die sogenannte Ansar-Allah-Bewegung, das sind Huthi-Rebellen, die sozusagen mit dem Iran verbündet sind. Und das wird ganz massiv auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgefochten.

domradio.de: Die Rede ist schon jetzt von katastrophalen humanitären Zuständen – was wissen Sie über die aktuelle Lage der Menschen im Jemen? 

Myllius: Die Lage hat sich Anfang der Woche mit der Blockade der See-, Luft- und Landwege durch Saudi-Arabien massiv zugespitzt. Dadurch wurde Jemen quasi über Nacht von der Außenwelt abgeschnitten. Das hat zur Folge gehabt, dass sich die Preise für Benzin und für Gas teilweise verdoppelt haben. Es gab Luftanschläge auf die Hauptstadt Sanaa. Und das trifft eben ein Land, das vorher schon die größte humanitäre Krise in seiner Geschichte erlebt hat. 

domradio.de: Wie sind Sie von CARE im Jemen aktiv?

Myllius: Die erste Priorität ist, dass wir auf allen Kanälen unsere Mittel in Bewegung setzen, damit diese Blockade sofort aufgehoben wird, weil der Jemen zu 80 Prozent von Lebensmittelimporten abhängig ist. Auch die Medikamentenlage ist sehr kritisch, die müssen eingeführt werden. Momentan kommen sie gar nicht ins Land.

Wir gehen davon aus, dass die Reserven nur noch für vier bis fünf Wochen reichen. Wir haben eine riesige Cholera-Epidemie – die größte in der Geschichte der Menschheit! Fast eine Million Menschen sind betroffen, mehrere tausend Tote gibt es schon. Es ist also zunächst ganz zentral, dass diese Blockade aufgehoben wird.

domradio.de: Und jetzt eben der Hungerstod von Millionen von Menschen, der sich als Schreckgespenst abzeichnet. Was muss passieren, um das noch abzuwenden? 

Myllius: Die humanitäre Hilfe allein kann die vertrackte Lage nicht lösen. Es geht darum, dass dieser Krieg, der mittlerweile zweieinhalb Jahre andauert, ein Ende findet. Die Krise, die Hungersnot ist menschengemacht. Das ist keine Naturkatastrophe, das ist keine Dürre. Da muss man ansetzen.

CARE kann als Hilfsorganisation noch viele Teile des Landes erreichen. Wenn es aber eine Eskalation gibt wie derzeit, wo wir innerhalb von 24 Stunden 50 Luftanschläge erleben, dann wird es extrem schwer. Dann ist auch unsere eigene Mobilität so eingeschränkt, dass wir das Überleben unserer eigenen Mitarbeiter in den Vordergrund stellen müssen.

domradio.de: Alles hängt also an Saudi-Arabien. Welche Möglichkeiten hat denn der Westen einzugreifen?

Myllius: Es gibt natürlich die Möglichkeit auf Saudi-Arabien Druck auszuüben, weil die Blockade eine massive Verletzung des Völkerrechts darstellt. Länder wie die USA oder England pflegen enge diplomatische Verbindungen zu Saudi-Arabien. Da machen wir natürlich Druck, dass die ihre Beziehungen ausnutzen, damit hier das Völkerrecht eingehalten wird und die Zivilbevölkerung nicht derart unter den militärischen Maßnahmen zu leiden hat.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Marten Myllius, Nothilfe-Koordinator des Hilfswerks CARE / © N.N. (CARE)
Marten Myllius, Nothilfe-Koordinator des Hilfswerks CARE / © N.N. ( CARE )
Quelle:
DR