Deutscher Missionar unter Flüchtlingen in Zentralafrikanischer Republik

"Religion wird missbraucht"

Aus der Zentralfrikanischen Republik fliehen tausende Menschen vor bewaffneten Splittergruppen in den Kongo - unter ihnen der Missionar Olaf Derenthal. Kontakt zu ihm hat Annette Funke vom Kindermissionswerk. Ein domradio.de-Interview.

Flüchtlinge in einem provisorischen Lager / © Cassandra Vinograd (dpa)
Flüchtlinge in einem provisorischen Lager / © Cassandra Vinograd ( dpa )

domradio.de: Was können Sie uns sagen? Wo befinden sich Pater Derenthal und die Gruppe gerade? Wissen Sie das?

Annette Funke (Länderreferentin vom Kindermissionswerk "Die Sternsinger"): Es ist richtig, dass eine ganze Gruppe von Menschen aus der Großregion um die Stadt Mobayi fliehen musste, über den Fluss in den Kongo. Die Menschen befinden sich jetzt in der Grenzregion im Norden des Kongo. Die meisten Flüchtlinge sind einfach unter freiem Himmel sich selbst überlassen. Die Gemeinschaft der Spritianer, zu denen Pater Olaf Derental gehört, wurde aufgenommen von einer Brüdergemeinschaft in Badolite, das ist eine Stadt im Norden des Kongo.

domradio.de: Das heißt, ihnen geht es fast noch besser als anderen Flüchtlingen, die ja teilweise sogar auf den Sandbänken im Fluss ausharren. Wie stehen Sie denn mit ihm in Kontakt?

Funke: Die Kontaktaufnahme ist äußerst schwierig, weil vor Ort kein Stromnetz da ist und auch keine Telefonverbindung stabil hält. Wir haben immer wieder sporadisch Kontakt über WhatsApp - also es sind immer kurze Nachrichten. Damit man sich zumindest austauschen kann, wie die Situation ist. Das war vorher in Mobayi eigentlich in den letzten Wochen schon ähnlich. Manchmal funktionierten die Telefone, manchmal ging es nur über diesen Weg.

domradio.de: Olaf Derenthal ist Missionar und Krankenpfleger, lebt und arbeitet seit Oktober 2016 in der Zentralafrikanischen Republik. Er hat in dieser Zeit einen Blog geschrieben, immer wieder über Gesundheitsprojekte berichtet. Jetzt liegen sein Blog und wahrscheinlich auch seine wichtige Arbeit erstmal brach, oder? 

Funke: Ganz genau. Das ist sehr traurig. Wenn kirchliche Mitarbeiter fliehen müssen, weil sie vor Ort selbst bedroht sind und die Gemeinde und den Ort zurücklassen müssen, sind natürlich auch alle Aktivitäten gestoppt. Das sind die pastoralen Aktivitäten, aber eben bei Olaf Derenthal auch seine ganzen medizinischen Aktivititäten. Er hat in einer mobilen Gesundheitsambulanz gearbeitet, die in die Dörfer fährt und dort Gesundheitsversorgung leistet. Das ist im Moment einfach gar nicht mögich. 

domradio.de: Gucken wir mal auf die Hintergründe: Papst Franziskus hatte ja 2015 noch die Zentralafrikanische Republik besucht und zu Frieden und Versöhnung aufgerufen. Zu der Zeit - muss man sagen - war das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen in dieser Region ja durchaus friedlich. Wie konnte sich das Blatt jetzt so wenden?

Funke: Ganz wichtig ist erstmal zu sagen, dass die Ursachen des Konfliktes nicht zwischen Muslimen und Christen zu suchen sind. Es ist richtig, dass die Spannungen auch zwischen den Religionsangehörigen zugenommen haben, durch die verschiedenen Konflikte und Verbrechen, die geschehen sind und dass Religion in diesem Zusammenhang auch missbraucht wurde. Das heißt, es ist ganz wichtig, einen Appell für Verständigung über die Religion hinweg zu senden. Aber die Religion ist einfach nicht Ursache des Konfliktes.

In dieser Region haben immer schon Muslime und Christen zusammengelebt. Da gab es sicher - wie zwischen verschiedenen anderen Bevölkerungsteilen - immer wieder mal einen Konflikt, aber der ist nicht religiös motiviert. Es ist eher so, dass die Muslime eher Menschen aus dem Ausland waren, zum Beispiel aus dem Tschad, die auch den ganzen Handelssektor unter sich hatten und dadurch einfach exponierter waren oder noch ein anderes Merkmal mittbrachten. Dass das Ganze jetzt so gekippt ist, liegt eigentlich wirklich eher an den bewaffneten Gruppen, die aber nicht religiös motiviert sind.

domradio.de: Was genau kann man in so einer Situation tun - wie kann man helfen?

Funke: Die größte Hilfe, die auch Pater Olaf Derenthal fordert, wäre, die UN-Blauhelmsoldaten, die im Land stationiert sind, zu stärken und vor allem effektive Kräfte gerade in diese Krisenregion zu schicken. Denn leider ist es so, dass die Blauhelme, die jetzt zum Beispiel im Mobayi sind, einfach nicht verlässlich sind. Da muss einfach erstmal eine Sicherheit hergestellt werden. Ansonsten kann auch keine Hilfe anlaufen. 

domradio.de: Sie haben seitens der Sternsinger ein Friedensgebet initiiert. Wie kann man sich daran beteiligen? 

Funke: Wir haben uns in den letzten zwei Wochen überlegt, was wir tun können. Dadurch, dass kein direktes Eingreifen möglich ist, war klar, dass die Solidarität ganz wichtig ist. Das Gebet ist ein Ausdruck dessen. Die Menschen vor Ort haben auch über Pater Olaf Derenthal davon mitbekommen und waren sehr gerührt. Es hat sich mittlerweile eine ganze Gebetskette gebildet, mit der wir täglich die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik ins Gebet nehmen und für Frieden beten in diesem sehr, sehr armen Land.

Das Interview führte Verena Tröster.


Annette Funke im Flüchtlingscamp in Yaloké/Zentralafrikanische Republik (Kindermissionswerk)
Annette Funke im Flüchtlingscamp in Yaloké/Zentralafrikanische Republik / ( Kindermissionswerk )
Quelle:
DR