Franziskus bricht in Mexiko Lanze für Indigene

Auf den Spuren von Bischof Ruiz

Papst Franziskus hat bei einem Gottesdienst in Chiapas ein wichtiges Signal des Respekts der Kirche für die indigene Kultur Mexikos gesetzt. Als Inspirationsquelle diente das Leben des populären mexikanischen Geistlichen Samuel Ruiz.

Wandmalerei: Bischof Samuel Ruiz / © David Agren (KNA)
Wandmalerei: Bischof Samuel Ruiz / © David Agren ( KNA )

Als Bischof Samuel Ruiz im Jahr 1960 nach San Cristobal de las Casas kam, war es den Angehörigen der Maya-Völker in der Provinz Chiapas noch verboten, sich auf öffentliche Parkbänke zu setzen. Ihr Stundenlohn als Tagelöhner lag bei drei Centavos, Mestizen bekamen für dieselbe Arbeit acht Pesos.

Die Grundbesitzer hatten das Recht, widerspenstige Indios zu schlagen. In Mexiko herrschte mitten im 20. Jahrhundert ähnlich wie in den Südstaaten der USA und in Südafrika, der blanke Rassismus. Er war nicht so schlimm wie der im 16. Jahrhundert, als die spanischen Eroberer systematisch (mit Brandzeichen auf der Stirn) versklavten. Aber in einem aufgeklärten Land wie Mexiko mit seinem demonstrativen Stolz auf seine multiethnische Zusammensetzung war auch der moderne Rassismus eine Schande, über die jedoch kaum jemand sprach.

Bischof Ruiz wurde zum Anwalt der Indigenen

Bischof Ruiz lernte die Sprachen der Maya-Völker, die bis heute knapp ein Viertel der Bevölkerung in der Provinz ausmachen. Und weil er ihre Sprache verstand, erfuhr er mehr als seine Vorgänger von den Ungerechtigkeiten, von den Schlägen, von den Erniedrigungen. Schon bald wurde er zu einem Anwalt ihrer Interessen. Die Indigenas schätzten und liebten ihn, sie gaben ihm den Ehrentitel "Tatic". Und als 1994 der Zapatistenaufstand zu einer Art Krieg zwischen ihnen und der Zentralmacht in Mexiko auszuarten drohte, machten sie Tatic Samuel zu ihrem offiziellen Unterhändler in den Friedensverhandlungen. Mit allerlei Tricks gelang es ihm, das Abkommen von San Andres (1996) einzufädeln, das den Indigenen seither deutlich mehr Rechte einräumt.

Aber Bischof Ruiz war nicht in erster Linie Politiker. Er machte viele Indigene zu Missionaren im eigenen Volk. Die Ausbildung von Tausenden Katecheten und die Bildung von Katechetengruppen war für sie der erste Schritt zur Bildung und zur Übernahme eigener Verantwortung. Später weihte er Dutzende von ihnen zu verheirateten Diakonen, weil niemand aus ihren Reihen den Weg zum Priestertum einschlug. Dieser "Sonderweg von Chiapas" wurde vom Vatikan im Jahr 2000 gestoppt.

Papst schlägt Brücke zwischen dem Alten Testament und indigenen Mythen

Papst Franziskus hat das Modell des Chiapas-Diakonats bereits 2014 wieder zugelassen. Und nun ist er im Rahmen seiner langen Mexikoreise nach San Cristobal de las Casas gekommen, um erstmals die Feier der heiligen Messe in einer Maya-Sprache offiziell zu approbieren und damit ein wichtiges Signal des Respekts der Kirche für die indigene Kultur zu setzen. Unter den Teilnehmern sind rund 7.000 indigene Repräsentanten unterschiedlicher Völker aus mehreren lateinamerikanischen Ländern. Seine Predigt beginnt der Papst mit Worten aus einer der meistverbreiteten Maya-Sprachen, und später zitiert er sogar einen Satz aus einem Maya-Schöpfungsmythos.

Doch die Botschaft des Papstes enthält mehr als nur den Respekt vor der kulturellen Vielfalt. Er spricht von der Sehnsucht nach Freiheit und vom Vorgeschmack eines verheißenen Landes. Er schlägt einen Bogen zwischen den Verheißungen des Alten Testaments und den Paradies-Vorstellungen indigener Mythen und sagt: "Ins Gedächtnis vieler Völker ist die Sehnsucht nach einem Land, nach einer Zeit eingemeißelt, wo die Geringschätzung überwunden ist durch die Geschwisterlichkeit und die Ungerechtigkeit besiegt ist durch die Solidarität." Ähnlich hatten in den 1990er Jahren auch die marxistisch inspirierten Zapatisten versucht, an indianische Mythen anzuknüpfen und damit für einige Jahre lang die Ureinwohner als Verbündete in ihrem revolutionären Kampf gewonnen.

Vom Blutvergießen distanziert sich der Papst freilich ausdrücklich und spricht davon, dass "die Gewalt zum Schweigen gebracht" werden solle. Damit auch jene, die kein Spanisch verstehen, seine Botschaft hören, wird seine Predigt anschließend noch einmal in den wichtigsten Maya-Sprachen zusammengefasst vorgetragen. Nach der Messe, die in sengender Sonne auf einem freien Feld jenseits der Stadt San Cristobal stattfand, stand ein Besuch des Papstes in der Kathedrale auf dem Programm. Dort betete Franziskus am Grab des 2011 friedlich verstorbenen Bischofs Ruiz, der in den 1990er Jahren noch als angeblicher Sympathisant der Revolutionäre denunziert und mehrfach mit dem gewaltsamen Tod bedroht wurde.


 

Quelle:
KNA