Bischöfe zum Advent: Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky aus dem Erzbistum Berlin

"Einladung zur Wachsamkeit"

Jeden Tag im Advent ein Bischofswort. Heute von Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky aus dem Erzbistum Berlin: "Die Adventszeit ist für mich jedes Jahr erneut eine Einladung zur Wachsamkeit. Die Tage vor Weihnachten bieten sich in besonderer Weise dafür an, die Aufmerksamkeit zu schärfen für die wirklichen und wichtigen Fragen des Lebens."

 (DR)

Wie stehe ich zu den Menschen, die mir anvertraut sind? Welche Hoffnung trägt mich? Was läuft schief in unserer Gesellschaft, im Land, ja, weltweit? In den Kirchen sprechen wir von einer Zeit der Buße und der Besinnung. Zugleich sind die Adventswochen auch eine Zeit, in der man sich einander zuwendet. Es gibt Einladungen zu Feiern im kleineren Kreis, man ist auf der Suche nach Geschenken und fragt sich, womit man anderen eine Freude machen kann. Eine Zeit gesteigerter Erwartungen.

Der Gedanke, dass wir Menschen in Erwartung von etwas Großem stehen ist wesentlich von der biblischen Tradition her bestimmt. Advent meint ja Warten auf etwas Großes, etwas, das wir uns schenken lassen, das wir uns jedenfalls nicht selber schaffen können. Dein Reich komme - so beten wir Tag für Tag im Vater Unser.

In Berlin haben wir - wie kaum irgendwo in Deutschland - in vielfältiger Weise das 20jährige Jubiläum des Mauerfalls gefeiert. Wir haben uns zurückerinnert an die Tage und Wochen um den 09. November 1989. So hatte mancher wieder Tränen in den Augen angesichts der Erinnerungen an damals. Auch der Herbst ´89 war eine erfüllte Zeit. Auch dabei war es um Erwartung gegangen. Um Hoffnung wider alle Hoffnung, um die plötzliche Ankunft von etwas ganz Großem, um das Geschenk der Freiheit für ein Volk, um eine Revolution ohne Waffen und ohne Blutvergießen. Der Mauerfall war so etwas wie ein adventliches Ereignis. In den Tagen zuvor riefen immer mehr Menschen auf den Straßen: "Wir sind das Volk!"

Mich erinnern diese Rufe und die damalige Stimmung an das alte Adventslied, das von der Befreiung Israels aus dem Sklavenhaus Ägypten oder der Gefangenschaft in Babylon erzählt: "Taue Timmel den Gerechten, Wolken regent ihn herab!", rief das Volk in bangen Nächten, dem Gott die Verheißung gab. Nicht nur im alten Israel , auch in unseren Tagen gab und gibt es dieses Drängen auf ein Ende aller Unterdrückung, gibt es die große Sehnsucht der Menschen nach Freiheit und erfüllter Zeit.

Für uns Christen erfüllt sich das Warten erst einmal mit der Ankunft des Erlösers Jesus Christus. Mit ihm beginnt eine neue Zeit. Den Hörerinnen und Hörern des domradios wünsche ich erwartungsreiche und lichtvolle Adventstage."