Vatikanbibliothek schlägt "neues Kapitel auf"

Ausstellung "Tutti" als Raum für Dialog

Weil Kulturen nach Ansicht des Papstes erkranken, wenn sie zu selbstreferenziell sind, hat der Vatikan ein neues Projekt ins Leben gerufen. Aus dem Barberini-Saal der Bibliothek wurde ein "üppiger tropischer Wald".

Autor/in:
Alexander Pitz
Die Weltkugel "Constellation Globe", ein Kunstwerk des Künstlers Pietro Ruffo / © Francesco Pistilli (KNA)
Die Weltkugel "Constellation Globe", ein Kunstwerk des Künstlers Pietro Ruffo / © Francesco Pistilli ( KNA )

Die Räume der Vatikanischen Bibliothek atmen den Geist vergangener Jahrhunderte: Wertvolle Kameen, Reliefs und Skulpturen neben Bücherregalen mit Millionen Werken, die das Wissen der Menschheitsgeschichte in sich vereinen. Gemälde und Fresken entführen den Besucher in eine kunstvolle Parallelwelt - weit weg von der geschäftigen römischen Innenstadt.

In Dialog treten

Doch nun soll nach dem Willen des Papstes ein "neues Kapitel" aufgeschlagen werden. "Kulturen erkranken, wenn sie selbstreferenziell werden", sagte Franziskus jüngst bei einem Besuch in der altehrwürdigen Biblioteca Apostolica Vaticana. Er will die prachtvollen Säle nutzen, um in einen "Dialog" zu treten - zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Völkern und Epochen.

"Das Leben ist die Kunst der Begegnung", betonte das Kirchenoberhaupt. Darum werde eine "neue Schönheit" gebraucht, die nicht mehr das übliche Spiegelbild der Macht einiger weniger sei. Er stelle sich stattdessen ein "mutiges Mosaik der Vielfalt aller" vor.

Emotionales Unterfangen

Zu diesem Zweck hat der Vatikan eigens den römischen Künstler Pietro Ruffo engagiert. Nach eigenen Angaben zählt der 43-Jährige zu den "begehrtesten jungen Künstlern Italiens". Sein vielseitiges Schaffen "mit mehreren visuellen und semantischen Lesarten" widme er den großen Themen der Weltgeschichte. Darum sei das Projekt in der Vatikanbibliothek für ihn ein "sehr emotionales" Unterfangen gewesen.

Der Auftrag lautete: eine Reflexion über die Enzyklika "Fratelli tutti", in der Franziskus für "Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft" wirbt. Die Werke Ruffos sollten mit denen der Bibliothek in einen "Dialog" treten. Das Ergebnis ist eine Ausstellung mit dem Titel "Tutti", die Kunstinteressierte bis zum 25. Februar besuchen können. Finanziert wird sie mit Unterstützung der Erben des US-Multimilliardärs und Philanthropen Kirk Kerkorian.

Neue und alte Welt

Im Wesentlichen umfasst die Schau drei Räume. Gezeigt werden eine Sammlung antiker Welt- und Landkarten sowie - davon inspiriert - "neue Karten" Ruffos. Dafür verwendet er eigenwillige Formen und exotische Motive. Auf einer sternenförmigen Karte ist im Hintergrund ein Elefant zu erkennen. Andere Darstellungen befassen sich mit dem Thema Migration.

Herzstück von "Tutti" ist die Installation "The clearest way" in der Sala Barberini. In den dortigen Regalen hat Ruffo statt Büchern zahllose Leinwandrollen untergebracht, auf denen eine reichhaltige Pflanzenwelt abgebildet ist. So wirke der Saal wie ein "üppiger tropischer Wald", erläutert Ruffo bei der Präsentation vor einem guten Dutzend Journalisten.

"Menschliches Herz braucht Kultur"

Der Papst zeigte sich bei der Abnahmebegehung zufrieden und sprach von einem "schönen Ergebnis". Er danke allen Beteiligten, lobte die "architektonische" und "wissenschaftliche" Sorgfalt. Das menschliche Herz brauche nicht nur Brot, es brauche auch Kultur und Berührendes für die Seele. Darum müsse die Kirche Zeugnis ablegen von der Bedeutung der Schönheit. Das neue Kunstprojekt sei dafür ein geeignetes Mittel. Die Bibliothek diene der Kirche umso mehr, wenn sie nicht nur die Vergangenheit bewahre, sondern es auch wage, eine "Grenzgängerin" zu sein.

Der Leiter der Vatikanbibliothek reagierte bei der Eröffnung am Montag ebenfalls angetan. Die Ausstellung sei ein wichtiger Beitrag zur Kulturförderung, erklärte Kardinal Jose Tolentino Mendonca. "Möge die Geschichte mit der Gegenwart zusammentreffen und uns neue Perspektiven eröffnen." Der Arbeit des zeitgenössischen Künstlers Ruffo sei es zu verdanken, dass die Bibliothek künftig von der Öffentlichkeit "mit ganz anderen Augen" gesehen zu werde.


Der Künstler Pietro Ruffo steht vor Bücherregalen mit seiner Kunstinstallation "Tutti" / © Francesco Pistilli (KNA)
Der Künstler Pietro Ruffo steht vor Bücherregalen mit seiner Kunstinstallation "Tutti" / © Francesco Pistilli ( KNA )

Papst Franziskus mit dem Künstler Pietro Ruffo (m.) und Kardinal Jose Tolentino Mendonca (r.) / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus mit dem Künstler Pietro Ruffo (m.) und Kardinal Jose Tolentino Mendonca (r.) / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Ein aufgeschlagenes historisches Buch in der Biblioteca Apostolica Vaticana / © Francesco Pistilli (KNA)
Ein aufgeschlagenes historisches Buch in der Biblioteca Apostolica Vaticana / © Francesco Pistilli ( KNA )

Wandgemälde und Bücherregale in der Biblioteca Apostolica Vaticana / © Francesco Pistilli (KNA)
Wandgemälde und Bücherregale in der Biblioteca Apostolica Vaticana / © Francesco Pistilli ( KNA )

Blick auf das Deckengewölbe mit Deckenfresko in der Biblioteca Apostolica Vaticana / © Francesco Pistilli (KNA)
Blick auf das Deckengewölbe mit Deckenfresko in der Biblioteca Apostolica Vaticana / © Francesco Pistilli ( KNA )

Blick in die Biblioteca Apostolica Vaticana / © Francesco Pistilli (KNA)
Blick in die Biblioteca Apostolica Vaticana / © Francesco Pistilli ( KNA )
Quelle:
KNA