Kirchenhistoriker: Archiv-Öffnung zu Pius XII. lange überfällig

"Zögern überrascht"

Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf begrüßt die Öffnung der vatikanischen Archive zu Papst Pius XII. Die Öffnung sei "lange überfällig", sagte er laut einer Mitteilung der Universität Münster. Man müsse "die Dinge auf den Tisch legen".

Blick in die Räume des Archives im Vatikan (KNA)
Blick in die Räume des Archives im Vatikan / ( KNA )

Im Interview der Deutschen Welle sagte der katholische Kirchenhistoriker am Montag, die endlose Diskussion über die Rolle von Papst Pius XII. könnten nur dadurch beendet werden, dass man die Quellen zugänglich macht. "Es hilft nichts anderes, als die Dinge auf den Tisch zu legen."

Es sei "eher überraschend, dass Franziskus so lange gezögert" habe.

"Dieses ganze Vertuschen muss aufhören"

Wolf verspricht sich von den Akten auch neue Erkenntnisse etwa über Naziverbrecher wie den Rassenhygieniker Josef Mengele. Es gehe etwa um die Frage, ob sie möglicherweise mit Wissen des Vatikan 1945 Pässe zur Ausreise nach Lateinamerika erhalten hätten. Erst nach eingehender Quellensichtung könne ein klares Bild der vatikanischen Rolle im Zweiten Weltkrieg und der Auswirkungen päpstlicher Diplomatie entstehen, fügte Wolf hinzu.

Es gehe bei der Öffnung der Archive auch um ein grundsätzliches Problem der Kirche, das auch in der Folge des Missbrauchsskandals offenkundig geworden sei. "Ich denke, das, was jetzt mit der Öffnung der Bestände zumindest symbolisch gesagt wird, das muss generell gelten: Dieses ganze Vertuschen und Unter-den-Teppich kehren, das muss aufhören."

Wolf plädierte für eine gemeinsame Aufarbeitung der Akten durch die katholische Kirche und Vertreter des Judentums. Insbesondere die Deutschen seien gefordert. "Ich glaube, dass es Aufgabe der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralrats der Juden in Deutschland wäre, diese Dinge gemeinsam voranzutreiben."

Hat Papst Pius XII. zu wenig für Juden getan?

Papst Franziskus hatte Anfang März angekündigt, die Dokumente dieses Pontifikats der Vatikanarchive ab dem 2. März 2020, dem 81. Jahrestag der Wahl Eugenio Pacellis zu Papst Pius XII., zugänglich zu machen. Dies wird von der Forschung seit Jahren verlangt, um Aufschluss über die Haltung von Pius XII. zu bekommen.

Prägend für das öffentliche Bild von Pius XII. ist das 1963 uraufgeführte Theaterstück "Der Stellvertreter" von Rolf Hochhuth.

Darin wirft der Schriftsteller dem Papst vor, in der NS-Zeit zu wenig gegen den Mord an den Juden getan zu haben. Verteidiger des Papstes argumentieren demgegenüber, Pius XII. habe sich die Maxime "Retten statt Reden" zu eigen gemacht und damit beispielsweise 80 Prozent der römischen Juden vor dem Tod bewahrt. Seit Längerem läuft ein Verfahren zur Seligsprechung von Pius XII.


Hubert Wolf (KNA)
Hubert Wolf / ( KNA )
Quelle:
KNA