Warum sich der Vatikan jetzt erst endgültig gegen die Todesstrafe stellt

"Ein Kampf für das Leben"

Ein klares "Nein, unter keinen Umständen" – das hat der Vatikan jetzt endlich auch zur Todesstrafe gesagt. Sant’Egidio setzt sich schon seit langem für die absolute Ächtung der Todesstrafe ein und freut sich über diese Meldung von ganz oben.

Papst Franziskus grüßt die Gläubigen auf dem Petersplatz / © Vatican Media (KNA)
Papst Franziskus grüßt die Gläubigen auf dem Petersplatz / © Vatican Media ( KNA )

DOMRADIO.DE: Als die Nachricht gestern kam, da mag sich manch einer vielleicht auch gefragt haben: War der Vatikan denn nicht immer schon gegen die Todesstrafe? Da müssen wir vielleicht mal ein bisschen aufklären. Wie ist da die Entwicklung?

Matthias Leineweber (Sant’Egidio): Die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts und der beiden Weltkriegen waren dafür eine wichtiger Ausschlag. Im Verlauf des Zweiten Vatikanischen Konzils hat sich die katholische Kirche das erste Mal für die Abschaffung der Todesstrafe eingesetzt. Das war 1969. Bis dahin gab es sogar noch die Todesstrafe in den Gesetzesvorschriften!

Dann hat sich die Kirche schon auf den Weg gemacht und verstanden, dass das doch nicht mehr dem Geist des Evangeliums entspricht. Allerdings braucht es einen langen Atem. Paul VI., Johannes Paul II., auch Benedikt XVI., bis jetzt Papst Franziskus, die immer deutlicher zu einer Ächtung gekommen sind. Und das ist jetzt der Abschluss eines langen Weges von gut 50 Jahren.

DOMRADIO.DE: Warum hat das so lange gedauert, bis ein Papst wirklich diesen letzten Schritt jetzt auch gegangen ist?

Leineweber: Veränderungen setzen sich in der Kirche sehr langsam durch. Man hat mit Bedacht geschaut, was wirklich die Lehre des Evangeliums ist. Es gibt ja auch durch das Zweite Vatikanische Konzil die Lehre, dass wir immer tiefer in die Erkenntnis des Evangeliums eindringen.

Im Licht der historischen Veränderungen hat man gemerkt: Gewalt ist nicht die Lösung. Und es ist auch nicht im Sinne der Gerechtigkeit, dass man ein Menschenleben auslöscht. Und das dauert manchmal doch sehr lange. Das sehen wir hier gerade auch an diesem Thema sehr deutlich.

DOMRADIO.DE: Was genau bedeutet diese Entscheidung des Papstes jetzt? Ist das ein Zeichen an alle Länder, die weiter an der Todesstrafe festhalten?

Leineweber: Es ist ein entschiedenes Zeichen und ein Aufruf auch an die katholische Kirche, überall, wo sie lebt, sich aktiv für die Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen. Von daher ist es doch auch ein Kampf für das Leben – auch in diesem Bereich. Wir kennen ja die katholische Kirche. Sie hat sich lange und seit Jahrhunderten schon für den Schutz des Lebens bei der Geburt, für die Kranken, für Bedürftige eingesetzt. Und sie hat jetzt auch dieser Schritt getan.

DOMRADIO.DE: Sie von Sant’Egidio machen sehr regelmäßig auch Kampagnen gegen die Todesstrafe. Wie ist das aktuell für Sie? Fühlen Sie sich in Ihrer Arbeit noch mal mehr gestärkt?

Leineweber: Natürlich. Das ist eine sehr große Ermutigung und wir erhoffen uns davon auch noch mal einen ganz wichtigen Impuls. Wir sind seit 20 Jahren mit einer internationalen Kampagne tätig. Im Verlauf der Jahre haben viele Länder – besonders auch in Afrika – die Todesstrafe abgeschafft. Europa ist der erste Kontinent geworden, auf dem sie nicht mehr gibt. Das sind schon wesentliche Erfolge, wir erhoffen uns da auch noch ganz großen Schub. Besonders auch in Afrika oder Lateinamerika. Das ist ein sehr katholischer Kontinent. Wenn der Papst eine solche Stellung einnimmt, hoffen wir, dass sich das für die Christen dort positiv auswirkt und sie ermutigt.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR