Ludwig von Pastor, Papsthistoriker und Diplomat im Fokus

"Gelehrter von Weltrang"

Dass ein Protestant die maßgebliche Papstgeschichte verfasste, konnte Ludwig von Pastor nicht stehen lassen. So verfasste er ein eigenes Werk mit zuvor unzugänglichen Quellen. Dieses stand nun bei einer Tagung im Fokus. 

Autor/in:
Benjamin Leven
 (DR)

In den meisten guten kirchlichen Bibliotheken dürften sie stehen, die 22 braun-gold eingebundenen Bände der "Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters". Wer die Bände aufschlägt, findet, in Frakturschrift gedruckt, umfangreiche biografische Bilder der Päpste vom 14. bis 18. Jahrhundert, von Clemens V. (1305-1314) bis Pius VI. (1775-1799). Dem Autor dieses Mammutwerkes, Ludwig von Pastor (1854-1928), widmete sich bis Freitag eine Tagung in der Ecole francaise de Rome, organisiert vom Pariser Historiker Andreas Sohn. Er beschrieb von Pastor in seinem Eröffnungsreferat als "Gelehrten von Weltrang".

Von Pastor war nicht nur Historiker, sondern auch Wissenschaftsorganisator und gegen Ende seines Lebens auch Diplomat. In Aachen geboren, lebte und lehrte er in Österreich und Rom. Ab 1901 war er neben seiner Professur in Innsbruck auch Direktor des Österreichischen Historischen Instituts in der Ewigen Stadt. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wirkte er schließlich als Gesandter der Republik Österreich am Heiligen Stuhl.

Vertrauen der Päpste

Von Pastor habe das Ziel eines solchen Werkes schon früh ins Auge gefasst und während seiner ganzen Karriere mit großem Ehrgeiz verfolgt, führte Sohn aus. Er habe das Vertrauen der Päpste genossen und darum schon früh Zugang zu den päpstlichen Geheimarchiven erhalten; diese habe er für seine Arbeit intensiv ausgewertet.

Erklärtes Ziel von Pastors war, der Papstgeschichte des protestantischen Historikers Leopold von Ranke (1795-1886), "Die römischen Päpste in den letzten vier Jahrhunderten", ein Werk aus katholischer Perspektive entgegenzustellen.

Der Universalist

Der Direktor des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, Stefan Heid, nannte von Pastor einen "Catholicissimus, Universalissimus und Papalissimus". Dieser sei stark von einer katholisch-konservativen Perspektive geprägt gewesen und habe sich gegen den nationalliberalen Mainstream der damaligen deutschsprachigen Geschichtswissenschaft gestellt. Seine papsttreue Haltung habe dem Konvertiten dazu verholfen, erstmals unbeschränkten Zugang zu den vatikanischen Quellen zu erhalten. Universalist sei er gewesen, weil er als einzelne Person - wenn auch mit einer Reihe von Helfern - ein derart umfangreiches und viele Epochen umfassendes Werk verfasst habe.

Der Potsdamer Historiker Thomas Brechenmacher warnte allerdings davor, einer Selbststilisierung des Papsthistorikers aufzusitzen. Von Pastor, der gewiss ein bewundernswertes Lebenswerk vorweisen könne, habe seine eigene Person gekonnt in Szene gesetzt, sich zum "gottbegnadeteten Geschichtsmeister" stilisiert. So sei der angeblich schon als Schüler gefasste Plan, eine Papstgeschichte zu schreiben, eine spätere Behauptung von Pastors, die als Teil dieser Selbstinszenierung angesehen werden müsse.

Viele helfende Hände

Auch sei der Österreicher kein einsames Genie gewesen, sondern habe bei der Archivarbeit und auch dem Verfassen seines Werkes auf einen "Stab von Mitarbeitern wie bei einem mittelständischen Unternehmen" zurückgegriffen, wie es auch heute wieder in der "kirchenhistorischen Großforschung" üblich sei. Pastors Ruhm wirkte jedenfalls auch über seinen Tod hinaus.

Christine Grafinger, Mitarbeiterin der Vatikanbibliothek, berichtete über den mit einer Büste des Gelehrten geschmückten "Ehrenschrank" mit dessen komplettem Nachlass, den die Familie von Pastors nach seinem Tod in der Bibliothek der Päpste aufstellen ließ. Papst Pius X. (1903-1914) habe einen Zuschuss von 200.000 Lire für die Fertigstellung des bei seinem Tod noch nicht ganz abgeschlossenen Werkes zur Verfügung gestellt. Schüler von Pastors gaben die letzten Bände heraus.

Die letzten Lebensjahre

Seine letzten Lebensjahre konnte der Historiker nicht mehr gänzlich der Geschichtsforschung widmen. Wie der Direktor des Österreichischen Historischen Instituts in Rom, Andreas Gottsmann, erläuterte, war von Pastor in den bewegten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg als Gesandter der jungen Republik Österreich mit vielen diplomatischen und politischen Fragen befasst.

Dazu gehörte die Situation Südtirols, die diözesane Neuordnung Deutschösterreichs sowie die Reorganisation der deutschen Nationalkiche Santa Maria dell'Anima in Rom. Ihr war mit dem Untergang der Donaumonarchie ihr Schutzherr, der Kaiser, abhandengekommen.


Quelle:
KNA