DFB-Ehrenpräsident Egidius Braun wird 95 Jahre alt

Fußballfunktionär, Unternehmer und Gemütsmensch

In mancherlei Hinsicht steht er für die "gute alte Zeit" im Fußball. Immer betonte Egidius Braun die verbindende Kraft des Sports. Als DFB-Präsident war freilich auch sein Talent als Strippenzieher gefragt. Als "Pater Braun" spielte er die Orgel.

Autor/in:
Joachim Heinz
Egidius Braun / © Marius Becker (dpa)
Egidius Braun / © Marius Becker ( dpa )

Er selbst bezeichnete diesen Moment als "die schwärzeste Stunde meines Lebens". Am 21. Juni 1998 prügelten deutsche Hooligans bei der Fußball-WM in Frankreich den Gendarmen Daniel Nivel ins Koma.

Kurzzeitig erwog Egidius Braun, die Nationalmannschaft aus dem Turnier zu nehmen. Die Erschütterung des damaligen DFB-Präsidenten war nicht gespielt. Sein ehrliches und offenes Auftreten ist immer Brauns wohl größtes Kapital gewesen. Nun wird er 95 Jahre alt.

Doch auch die jovial-rheinische Art konnte vor allem gegen Ende von Brauns Amtszeit 2001 nur mühsam die größer werdenden Risse übertünchen, die sich zwischen Amateuren und Profis, zwischen Starkickern und dem Rest der Gesellschaft auftaten. Schon 1997 zeigte er sich im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) nachdenklich angesichts explodierender Gehälter für Bundesligaspieler, meinte jedoch lapidar: "Das ist eben der Markt."

Zweite Karriere als Fußballfunktionär

Längst hat die Kommerzialisierung des Fußballs groteske Ausmaße erreicht, finden Weltmeisterschaften kurz vor Weihnachten statt, werden von der Fifa abwärts bis zu den nationalen Verbänden wie dem DFB immer neue Fälle von Misswirtschaft und Korruption bekannt. Als Braun, geboren am 27. Februar 1925 in Stolberg bei Aachen, die Begeisterung für den Ballsport entdeckte, lag das alles freilich noch in ferner Zukunft. Beim SV Breinig 1910 erlernte er "den geraden Schuss und den klassischen Kopfball", wie es in seiner Biografie auf der DFB-Homepage heißt.

Der Zweite Weltkrieg bedeutete für Braun wie für viele Deutsche eine Zäsur. Nach dem Abitur 1943 zum Kriegsdienst eingezogen, kam er in Gefangenschaft - und baute sich nach seiner Freilassung 1946 mit der Firma "Kartoffel Braun" eine Existenz als selbstständiger Unternehmer auf. Anfang der 70er Jahre begann seine zweite Karriere als Fußballfunktionär, kurz nachdem ein handfester Skandal um verschobene Spiele und Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe die Bundesliga erschüttert hatte.

Braun arbeitete 1972 in den DFB-Kommissionen "Neuordnung des Spielsystems" und "Steuern und Wirtschaft" mit; im Jahr darauf wurde er Präsident des einflussreichen Fußballverbandes Mittelrhein. Braun, ab 1977 DFB-Schatzmeister, ab 1992 Präsident des weltweit größten Einzelsportverbandes, erlebte Höhen und Tiefen des Fußballs: vom Gewinn der WM 1990 bis hin zum frühen Ausscheiden vier Jahre später in den USA.

Engagement für Benachteiligte

Getreu seinem Credo "Fußball - Mehr als ein 1:0" engagierte sich der Vater zweier Söhne auf und außerhalb des Platzes für Benachteiligte in der Gesellschaft. Die nach ihm benannte DFB-Stiftung bündelt heute verschiedenste Initiativen. Zu den Partnern gehört seit 1996 das Kindermissionswerk "Die Sternsinger". Ein Schwerpunkt der Stiftung ist die 1986 während der dortigen Fußball-WM ins Leben gerufene Mexiko-Hilfe. Das Projekt, das seinerzeit den Anstoß dafür gab, die "Casa de Cuna", feierte im vergangenen Jahr 75-jähriges Bestehen. Der DFB und die Sternsinger fördern die Einrichtung in Santiago de Queretaro, die Kinder aus sozial schwachen Familien unterstützt, mit 30.000 Euro im Jahr.

"Pater Braun": Diesen Spitznamen trug der Katholik, der früher bei Sonntagsgottesdiensten gern die Orgel spielte, mit Freude - "wenn damit beschrieben ist, dass mir menschliches Miteinander von großer Bedeutung ist". 2001 wählte ihn der DFB zu seinem Ehrenpräsidenten.

Zuvor hatte er noch maßgeblich dazu beigetragen, die Austragung der WM 2006 nach Deutschland zu holen. Als fröhlich-friedliches Fest ging das "Sommermärchen" in die Annalen ein.

Die Erinnerung an die deutschen Schläger und ihr Opfer Daniel Nivel beschäftigt Braun gleichwohl. Der "Kicker" zitierte ihn 20 Jahre nach dem Verbrechen in Lens mit den Worten: "Gewalt hat in unserem Sport keinen Platz!" Mit Blick auf die fast schon alltäglichen Großeinsätze der Polizei selbst bei ganz gewöhnlichen Bundesligaspielen scheint das immer noch ein frommer Wunsch.


Fußball spielen verbindet / © Gelnar Tavador (shutterstock)
Fußball spielen verbindet / © Gelnar Tavador ( shutterstock )

Deutscher Fußball Bund / © Arne Dedert (dpa)
Deutscher Fußball Bund / © Arne Dedert ( dpa )

Mario Gomez und Timo Werner / © Marius Becker (dpa)
Mario Gomez und Timo Werner / © Marius Becker ( dpa )
Quelle:
KNA