Moderator Jörg Thadeusz predigt im Saison-Eröffnungsgottesdienst des BVB

Hoffnung als Gemeinsamkeit

Beim Saison-Eröffnungsgottesdienst von Borussia Dortmund predigt am Donnerstag kein Geistlicher, sondern der Moderator Jörg Thadeusz. Der evangelische Christ will "bescheiden und demütig" seine Meinung sagen, erklärt er im Interview.

Autor und Moderator Jörg Thadeusz / © Matthias Greve (KNA)
Autor und Moderator Jörg Thadeusz / © Matthias Greve ( KNA )

domradio.de: Wie kommen Sie denn zu der Ehre, auf der Kanzel stehen zu dürfen?

Jörg Thadeusz (Autor und Moderator): Das frage ich mich auch. Man wird, glaube ich, erwählt - um gleich theologisches Vokabular zu verwenden. Irgendwie kam das auf Umwegen. Und da war die Versuchung einfach zu groß. Das Ganze hat natürlich einen Touch von Hochstapelei, weil ich ja weiß, dass man normalerweise nur dann predigt, wenn man sich im evangelischen Fall durch die drei alten Sprachen und das ganze Theologiestudium gequält hat oder im katholischen Fall - noch etwas härter - auch noch auf Mädchenkontakte verzichtet. Von daher ist das schon völlige Hochstapelei, sich da einfach so hinstellen zu dürfen. 

domradio.de: Aber eine Voraussetzung erfüllen Sie auf alle Fälle: Sie sind selber glühender BVB-Fan. Werden Sie dann im schwarz-gelben Trikot vor einer schwarz-gelben Gemeinde stehen?

Thadeusz: Ja. Meine Schwägerin hat mir extra für diesen Anlass vergangene Woche noch ein neues Auswärts-Trikot geschenkt. Das trage ich. Ich komme mir zwar immer ein bisschen lächerlich vor. Aber das ist ja auch Teil dieses merkwürdigen Verhältnisses, das man zu seinem Fußballverein hat.

domradio.de: Wenn man sich lächerlich vorkommt, macht es das bestimmt nicht einfacher, glaubwürdig rüberzukommen. Was haben Sie denn vorbereitet? Werden Sie frei predigen? 

Thadeusz: Ich bereite sowas immer vor - Streber, der ich bin. Ich will das ja nicht verhöhnen. Ich bin evangelischer Christ und nehme das deshalb nicht auf die komplett leichte Schulter. Deshalb würde ich mir wünschen, dass wir gemeinsam auf die Saison zurückgucken. Wir haben eine Saison im Kreuz, die gar nicht so leicht war. Wenn man daran denkt, dass Anhänger von RB Leipzig fürchterlich angegriffen wurden. Da wäre meine Liebe beinahe erkaltet. Dann gab es diesen Anschlag auf den Mannschaftsbus. Dann natürlich der Abschied von Thomas Tuchel, obwohl der gerade den DFB-Pokal gewonnen hatte. Das ist auch eine Sache, bei der man sich fragt: Welche Rolle spielen Gefühle - auch negative? Mindestens dazu will ich eine Meinung abgeben. Vielleicht ist es das Bescheidenste und Demütigste, was man da sagen kann. Unter Umständen teilen Einzelne in der Gemeinde diese Meinung mit mir.

domradio.de: Sie haben neulich mal gesagt, im Alter von zwölf Jahren, beim ersten Stadionbesuch vom BVB, wussten sie sofort, was gut und was böse sei. Gut sei der BVB und böse sei zum Beispiel der FC Bayern. Das sei fast eine religiöse Unterscheidung. Was gibt es denn noch in Sachen gut und böse im Fußball - Stichwort Millionenablösesummen?

Thadeusz: Das ist diese klassische Fußball-Doppelmoral. Da kann ich mich natürlich jetzt immer dazustellen und Kritik üben. Bei uns in den Medien ist das ja sehr populär. Aber ich sage ganz ehrlich: Wenn wir die tollsten Spieler der Welt haben können, ist mir kein Geld zu teuer. Es gibt diverse Spieler auch auf der Weltbühne, die ich einfach fabelhaft finde. Und wenn man die jetzt haben könnte, würde ich sagen: "Raus mit dem Geld." Die Leute sagen immer: "Mit 22 Millionen könnte man so viele Kinder ernähren." Aber diese Rechnung stellen wir doch in anderen Bereichen auch nicht so auf.

domradio.de: Was erhoffen Sie sich denn von der kommenden Saison für den BVB? 

Thadeusz: Genau das gleiche wie immer: das Triple Champions League, DFB-Pokal, Meisterschaft. Das wird womöglich nicht in Erfüllung gehen. Aber die Hoffnung ist ja auch ein sehr religiöser Touch am Fußball. Dass man in abstrusen Situationen trotzdem hofft, dass etwas noch gutgehen wird.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR