Mit Schwester Katharina durch die EM

Kein Mitleid mit Ronaldo

Frankreich hätte den Titel verdient gehabt, sagt Schwester Katharina. Nicht nur weil Portugal das eigene Tor verrammelt hat, sondern weil Frankreich mit seinen jungen Spielern den schöneren Fußball gezeigt hat. Es hat nur das Tor gefehlt.

Schwester Katharina: Die "Fußballnonne" von domradio.de / © privat (DR)
Schwester Katharina: Die "Fußballnonne" von domradio.de / © privat ( DR )

domradio.de: 3:1 war Ihr Tipp gewesen?

Schwester Katharina: Ja, eindeutig. Und ich muss gestehen, dass das Finale mal wieder alles auf den Kopf gestellt hat. Es war ein bisschen wie das Halbfinale Deutschland gegen Frankreich. Deutschland war von dem Sieg über Italien und von diesem unglaublichen Kampf ausgelaugt. So hatte man zumindest den Eindruck. Unsere Mannschaft war dann aber in der ersten Halbzeit überlegen und hat nur verpasst das Tor zu machen. Gestern im Finale hatte ich genau den gleichen Eindruck: Für Frankreich war klar, wir sind überlegen, wir schaffen das, es braucht nur den Augenblick des Tores. Und je länger das Spiel gedauert hat, desto stärker wurden die Portugiesen. Ich hatte nachher irgendwann den Eindruck, was ist das denn? Als dann die Verlängerung kam, wurden sie immer besser, immer stärker, immer wirbeliger. Und dann habe ich gedacht – meine Güte, am Ende schießen die noch das Tor. Und es war so!

domradio.de: Soweit die nüchterne Analyse. Und wie steht‘s ums Herz? Können Sie das emotional verarbeiten?

Schwester Katharina: Nein (lacht). Ich muss gestehen, mir blutet das Herz. Ich hätte es Frankreich so sehr gegönnt. Nicht nur, weil sie die Deutschen geschlagen haben, sondern weil es das Land wirklich auch brauchen würde. Sie haben in den Ausscheidungsspielen einen ganz tollen Fußball gezeigt. Die haben die jungen Leute drin, die sie gefördert haben, die haben Antoine Griezmann, wo man das Gefühl hat, das sind die Neuen. Bei Portugal muss ich ehrlich gestehen, das ist kein Fußball. Man möge es mir verzeihen. Die haben wirklich immer nur ihr Tor vernagelt. Das haben sie natürlich ganz toll gemacht. Aber eigentlich ist "Catenaccio" (Abwehrriegel beim Fußball) italienisch und nicht portugiesisch. Also ich finde es nicht gut, dass so eine Mannschaft, die eigentlich immer verteidigt hat, und dann auf irgendwelche Fehler gewartet hat, Europameister ist. Aber es ist so. Ich finde es schade.

domradio.de: Wir müssen Portugals Angriffsspieler Nummer eins noch ins Spiel bringen. Was hat das mit Ihnen gemacht? In der 25. Minute, als der Star dieser Partie verletzungsbedingt raus musste. Haben Sie in dem Moment nicht ein bisschen Sympathien für Portugal entwickelt?

Schwester Katharina: Nö (lacht). Es ist klar, als der vermeintlich Beste raus musste und das wirklich so tragisch war, hab ich gedacht: Jetzt könnte es natürlich sein, dass alle anderen Spieler von Portugal völlig über sich hinauswachsen, um den Kapitän zu ersetzen. Und so ist es ja auch geworden. Und von daher: Am guten Schluss hat es mir für die, die da auf dem Platz standen, schon gefallen, dass die trotz aller Kritik vorher und trotz des Dramas um Ronaldo es geschafft haben, dieses eine Tor zu machen.

domradio.de: Was können wir für einen Strich unter diese Europameisterschaft ziehen?

Schwester Katharina: Das mit den 24 Mannschaften hat so zwei Seiten. Das eine: Wir haben wundervolle Mannschaften gesehen, die wir sonst nicht zu sehen bekommen hätten. Wenn ich an Nordirland und England und Wales und vor allem Island denke: mit zauberhaften Fans, die wirklich selbst die Vorrunde, die ja sonst eigentlich sehr, sehr langweilig war, zu einem Fest gemacht haben. Das ist wirklich der Vorteil dieser aufgestockten EM. Die andere Seite ist, dass wir oft ganz triste Vorrunden-Spiele gesehen haben, wenn selbst der Dritte noch weiterkommt. Das fand ich nicht toll. Dass die Deutschen nicht gewonnen haben, lag daran, dass sie verpasst haben, das Tor im Halbfinale zu schießen, obwohl sie überlegen waren. Aber das ist nicht so schlimm. Ich habe eher so den Eindruck, jetzt muss Joachim Löw wirklich umbauen. Er muss nach Mittelstürmern Ausschau halten, damit man nicht immer von Mario Gomez abhängig ist. Und ich habe wieder erlebt, dass Fußball wirklich ein Fest ist, was Leute zusammenführt.

domradio.de: Ihren Worten entnehme ich, Sie rechnen da fest mit dem bisherigen Bundestrainer?

Schwester Katharina: Ich glaube schon. Er hat ja im Januar 2016 gesagt, die Europameisterschaft ist quasi eine Zwischenstation auf 2018 hin. Ich denke ja. Und ich denke, diesen Weltmeister-Titel verteidigen zu wollen, was noch keiner geschafft hat, das reizt ihn.

Das Interview führte Daniel Hauser.


Quelle:
DR