KAB begrüßt Langzeitsstudie zum Grundeinkommen

"Das tut der Gesellschaft gut"

Ist das bedingungslose Grundeinkommen ein Gewinn für die Gesellschaft? Für die Katholische Arbeitnehmerbewegung wertet es die Erwerbsarbeit auf. Denn die Menschen erfahren dadurch Anerkennung und die Menschenwürde wird gestärkt.

Grundeinkommen wertet auch die Tätigkeit der Menschen auf / © megaflopp (shutterstock)
Grundeinkommen wertet auch die Tätigkeit der Menschen auf / © megaflopp ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Allein dass die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) sich ein Kompetenzzentrum Grundeinkommen leistet, zeigt ja schon, dass das ein wichtiges Thema ist für Sie. Was spricht denn aus Ihrer Sicht dafür?

Winfried Gather (stellv. Sprecher Kompetenzzentrum Grundeinkommen der KAB): Wir sind schon sehr lange für ein Grundeinkommen, das haben wir 2004 beschlossen. Seitdem treten wir dafür ein und werben dafür. Ein wichtiges Argument für uns: Die Tätigkeit der Menschen wird dadurch aufgewertet.

Wir sehen im Grundeinkommen auch einen Baustein auf dem Weg zu einer Tätigkeitsgesellschaft, in der nicht nur Erwerbsarbeit zählt, sondern auch Familienarbeit wie Erziehung und Pflege oder auch bürgerschaftliches Engagement. Diese drei Säulen prägen unsere Gesellschaft. Gäbe es das Grundeinkommen, dann hätten die Menschen auch mehr Freiheit für ein Engagement.

DOMRADIO.DE: Da würden wahrscheinlich auch manche Berufe attraktiver, die es jetzt nicht so sind. Sie haben gerade das Stichwort Pflege schon angesprochen.

Gather: Mit Sicherheit. Wenn die Leute ein Grundeinkommen beziehen würden, müssen sie nicht jede Arbeit zu jeder Bedingung annehmen, sondern hätten eine größere Wahlfreiheit zu entscheiden, ob sie die Arbeit unter den gegebenen Voraussetzungen annehmen oder nicht. Die Erwerbsarbeit muss attraktiver werden. Darin könnte ein großer Vorteil liegen.

DOMRADIO.DE: Es gibt vielleicht auch Jobs, die dann niemand mehr machen möchte?

Gather: Das lässt sich ja über die Höhe der Vergütung machen. Deswegen liegt das Grundeinkommen knapp über der Armutsrisikoschwelle mit den monatlichen 1200 Euro. Viele wollen aber auch Urlaub machen, ein Auto haben und so weiter. Das heißt, der Anreiz, einer Tätigkeit nachzugehen, wird eigentlich damit aufgewertet.

DOMRADIO.DE: Kritiker sagen, da werden sich einige Leute nur auf die faule Haut legen. Warum sehen Sie das anders?

Gather: Diesem Vorurteil begegnen wir dauernd. Unsere Erfahrungen und auch Umfragen zeigen das deutlich, dass die Leute weiter arbeiten wollen - nur anders. Das heißt, unter Umständen kürzere oder anders gestaltete Arbeitszeit, mehr Zeit für Familie, Weiterbildung und so weiter.

Deswegen ist eine Langzeitstudie gut, da wir bisher nur auf Kurzzeitstudien und Befragungen zurückgreifen können. Wenn das Projekt über drei Jahre wissenschaftlich erforscht wird, können sich daraus auch noch einmal gute Argumente dafür entwickeln.

DOMRADIO.DE: Wie gut könnte ein Grundeinkommen der Gesellschaft tun?

Gather: Es könnte ihr sehr gut tun, weil es wird im Grunde gefördert, sich zu engagieren. Die Menschen wollen ja schöpferisch tätig sein und anerkannt werden. Das ist auch unser Menschenbild, das dem Grundeinkommen zugrunde liegt. Die Anerkennung der Menschen ist ein ganz wichtiger Punkt.

Im Moment wird bei den bisherigen Förderungen und der Grundsicherung die Menschenwürde eher vernachlässigt. Von daher kann das für unsere Gesellschaft gut sein. In dem Zusammenhang der Hinweis auf Papst Franziskus, der 2020 das Buch "Wage zu träumen - Mit Zuversicht aus der Krise" herausgebracht hat und darin plädiert auch er für ein universelles Grundeinkommen.

DOMRADIO.DE: Was sagen Sie denn Kritikern, die fragen: Wer soll das Ganze bezahlen?

Gather: Das ist tatsächlich eine spannende Frage, bei der der Unterschied zwischen den vielen Grundeinkommensmodellen entscheidend ist. Es gibt neoliberale oder wirtschaftsliberale Modelle, die wir nicht so vertreten, sondern eher emanzipatorisch-soziale. Das heißt, unsere Finanzierung setzt auf eine Verteilung von oben nach unten.

DOMRADIO.DE: Aus christlich-ethischer Sicht ist die Vermeidung sozialer Ächtung und die Betonung von Gleichheit sicher ein wichtiger Impuls in unserer Gesellschaft?

Gather: Das haben wir in unserem Buch "Zur Freiheit berufen - Christen für ein Grundeinkommen" auch beschrieben, dass wir diese Berufung haben, schöpferisch, kreativ, solidarisch miteinander umzugehen. Genau das wird durch ein Grundeinkommen stabilisiert.

DOMRADIO.DE: Dieses Forschungsprojekt mit 122 Probanden, das läuft jetzt erst einmal für drei Jahre. Wie wollen Sie als KAB dieses Projekt unterstützen?

Gather: Wir werden das aufmerksam verfolgen. Ich rate allen Interessierten, den Newsletter zum Projekt zu abonnieren, der immer über den aktuellen Stand informiert. Wir haben schon in dem eben genannten Buch dieses Projekt von "Mein Grundeinkommen", dem Verein in Berlin, beschrieben. Claudia Cornelsen hat in einem Kapitel die Anfänge dazu beschrieben.

Das heißt, wir vernetzen uns, sind unterstützend tätig bis hin zur Europäischen Bürgerinitiative für ein Grundeinkommen. Also da gibt es eine gute Vernetzung und Zusammenarbeit.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Winfried Gather / © Philipp Wichrowski (DR)
Winfried Gather / © Philipp Wichrowski ( DR )
Quelle:
DR