Juri Gagarin startete vor 60 Jahren als erster Mensch ins All

"Pojechali - Auf geht's!"

Nein, Gott habe er dort oben nicht getroffen, gab Jurij Gagarin, der erste Mensch im All, nach seinem historischen Flug zu Protokoll. Vielleicht hat er aber auch einfach nur nach etwas ganz anderem Ausschau gehalten.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Archivbild: Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin in seinem Raumanzug im April 1961 / © Lehtikuva (dpa)
Archivbild: Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin in seinem Raumanzug im April 1961 / © Lehtikuva ( dpa )

Viele der großen Wettläufe der Weltgeschichte endeten tödlich: 1912 erfror der Brite Robert Scott nach dem verlorenen Rennen zum Südpol gegen den Norweger Roald Amundsen. Der Hase unterlag dem Igel auch im 74. Tagesrennen und starb in der Ackerfurche an einem Infarkt. Und der legendäre Marathonläufer Pheidippides brach 490 vor Christus nach Erfüllung seiner historischen Mission im Herzen Athens zusammen.

Dramatischer Moment

Auch Juri Gagarin sah seinem möglichen Schicksal gefasst entgegen. "Genossen, ich brenne", war das letzte, was er der Bodenstation "Morgenröte 1" mitteilen konnte, als sich seine Raumkapsel "Wostok" (Osten) beim Eintritt in die Erdatmosphäre nicht ordnungsgemäß von der Versorgungseinheit des Raumschiffs trennte und um die eigene Achse trudelte; ein "vollkommenes Corps de ballet", wie Gagarin später berichtete.

Doch der dramatische Moment ging vorüber; kurz darauf schirmte "Kosmonaut Nr. 1" wie geplant in 7.000 Metern Höhe ab und landete rund 26 Kilometer südwestlich der Stadt Engels im Oblast Saratow. Der erste bemannte Flug ins All vor 60 Jahren, am 12. April 1961, war ein Triumph der Sowjetunion - und ein Schock für die USA.

Erster Mensch im Kosmos

"Der Name des ersten Menschen, der in den Kosmos eindrang, lautet Juri Alexejewitsch Gagarin, ein Bürger der Sozialistischen Sowjetrepubliken", verkündete pathetisch der Anchorman von Radio Moskau, Juri Lewitan, in den Zehn-Uhr-Nachrichten über alle Stationen des Landes. Das SED-Organ "Neues Deutschland" schwärmte von einer "beispiellosen Tat für den Frieden und den Fortschritt der Menschheit"; die ganze Welt stehe "im Banne des grandiosen Menschenfluges durch den Kosmos". US-Präsident John F. Kennedy reagierte unverhohlen angefressen und verkündete kurz darauf seine Kampfansage, bis zum Ende des Jahrzehnts den ersten Amerikaner zum Mond schießen zu wollen.

Die Pioniertat der Sowjets stand eigentlich unter keinem guten Stern. Technologisch lagen die Russen weit zurück, und im Vorfeld war so einiges schiefgelaufen. Die Trägerrakete galt als Wackelkandidatin; Tier-Testflüge verliefen bisweilen tödlich; und im sogenannten Nedelin-Desaster waren noch im Oktober zuvor bei einer Explosion auf dem geheimen Testgelände in Kasachstan rund 100 Menschen ums Leben gekommen.

Geglückte Mission

Die Veranstalter selbst taxierten die Erfolgsquote ihres ersten bemannten Fluges insgeheim auf unter 50 Prozent. Und so hatte Oberleutnant Gagarin in seinem kargen Gepäck auch eine Pistole; um nach seiner Landung wilde Tiere verscheuchen zu können, wie es offiziell hieß. Er versprach - wohl auch für den Fall, dass er außerhalb von Freundesland zur Erde zurückkehrte -, etwaige Schwierigkeiten "so zu überwinden, wie es die Kommunisten tun".

Doch dazu kam es nicht. Der 27-jährige Bauernsohn und Familienvater hatte den Zuschlag als "Kosmonaut Nr. 1" wegen seiner unter 170 Zentimeter Körpergröße, aber auch wegen seiner menschlichen Qualitäten bekommen: Verständigkeit, Bescheidenheit, Realismus - und Gelassenheit. "Pojechali!" (Auf geht's) rief er seinen Mitstreitern am Morgen des historischen 12. April zu; und nach dem Lift-Off ein unaufgeregtes "Wir sind abgefahren". Nebenbei: Gagarin gilt auch als Erfinder der "Pinkelpause" kurz vor dem Start.

Held in der Heimat

Während des Fluges hatte er ein erstaunlich schlankes Arbeitspensum zu absolvieren - hatten doch die Ingenieure noch keine Erfahrungen mit einer möglichen "Weltraumkrankheit" und deshalb die vollautomatische Variante gewählt. Der Pilot nutzte die freie Zeit für die erste Betrachtung des "blauen Planeten" (O-Ton Gagarin) in der Menschheitsgeschichte.

Noch während seiner vollen Erdumrundung wurde der Oberleutnant zum Major befördert; eine von vielen Ehrungen, die der lächelnde "Held der Sowjetunion" bis zu seinem Fliegertod im März 1968 erhalten sollte. Sein Geburtsort Gschatsk in der Oblast Smolensk wurde in "Gagarin" umbenannt; auf dem Moskauer Lenin-Prospekt ist ihm ein 40 Meter hohes pathetisches Monument errichtet; und auf dem Mond trägt ein Krater von 265 Kilometern Länge seinen Namen. Leider auf der erdabgewandten Seite.


Blick auf die Erdkugel  (dpa)
Blick auf die Erdkugel / ( dpa )
Quelle:
KNA