Debatte über Schlachthöfe, Tierhaltung und Fleischkonsum hält an

Stimmen aus Politik, Gesellschaft und Kirche

In Politik, Gesellschaft und in der Kirche geht die Debatte über Schlachthöfe, Tierhaltung und Fleischkonsum weiter. Im Zentrum der Forderungen stehen ein Einsatz für bessere Arbeitsbedingunen in der Fleischindustrie und bewussterer Fleischkonsum.

Autor/in:
Gottfried Bohl
Fleischerei / © Tyler Olson (shutterstock)

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte in der "Welt am Sonntag" an, sich im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für bessere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie einzusetzen.

Auch die EU-Kommission wolle auf europäischer Ebene das Problem schlechter Arbeitsbedingungen in dieser Branche angehen, versprach EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" forderten Politiker von CDU, FDP und Grünen strengere Vorschriften zum Arbeits- und Infektionsschutz in Schlachthöfen.

Kritik an "sklavenähnlichen Zuständen"

Die Fernsehköchin und Grünen-Europaabgeordnete Sarah Wiener kritisierte "sklavenähnliche Zustände" in Schlachthöfen und in der gesamten Nahrungsmittelindustrie. In einem Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland forderte sie eine radikale Reform der EU-Landwirtschaftspolitik, die "dem kleinen Bauern dient und damit letztlich unserer Gesundheit".

Der bulgarische Buchautor und Politologe Ivan Krastev dagegen kann die deutsche Debatte über Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie nicht nachvollziehen. "Wenn Sie an die niedrigen Löhne bei uns denken, verstehen Sie, dass ein Arbeitsplatz in Westeuropa für unsere Arbeiter einen sozialen Aufstieg bedeutet", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". In bulgarischen Medien habe er auch keinen Ärger über die Vorkommnisse in den Fleischfabriken wahrgenommen.

Sarah Wiener wies außerdem auf den Fleischkonsum hin und kritisierte, ein Kilo Fleisch sei "billiger als eine Parkstunde in München-Mitte oder eine Kinokarte. Ich frage mich, wann wir endlich den Mut haben werden, etwas radikal daran zu ändern". Allerdings gebe es leider viele Menschen, die sich keine gesunden Lebensmittel leisten könnten. Notfalls müssten Mieten oder Preise im öffentlichen Nahverkehr gesenkt werden, denn Menschen mit weniger Geld dürften nicht dazu gezwungen werden, minderwertige oder gesundheitsschädliche Lebensmittel zu sich nehmen zu müssen.

Aufruf zu bewussterem Fleischkonsum

Der katholische Moraltheologe Michael Rosenberger forderte unterdessen zu einem bewussteren Fleischkonsum auf. Ein Richtwert könnten 300 bis 400 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche sein, sagte er dem Kölner katholischen Internetportal DOMRADIO.DE: "Das würde heißen, jeden zweiten Tag eine kleine Fleischmahlzeit mit 100 Gramm - das wäre ein Richtwert. Davon sind wir sehr weit entfernt. Wir essen das drei- bis vierfache von der Menge."

Er halte es aber nicht für notwendig, ganz auf Fleisch zu verzichten: "Wenn wir wirklich schauen, dass wir Fleisch aus handwerklicher Schlachtung von kleinen Betrieben kaufen, die ihrerseits darauf achten, wie die Tiere gehalten werden und ob sie ein gutes Leben haben, bevor sie geschlachtet werden, kann man durchaus guten Gewissens Fleisch essen."

Dagegen forderte der Berliner Philosoph und Politikwissenschaftler Bernd Ladwig, Tieren per Gesetz dieselben Grundrechte zuzusprechen wie Menschen. Als Folge daraus müsse man langfristig die vom Menschen dominierte Nutztierhaltung abschaffen, sagte er am Sonntag im Deutschlandfunk: "Die Fleischwirtschaft, die Massenproduktion von Milch und Eiern, das alles ist nur um den Preis der Missachtung tierischer Bedürfnisse zu haben, und ist moralisch unzulässig."


 Hubertus Heil (SPD), Bundesarbeitsminister / © Ralf Hirschberger (dpa)
Hubertus Heil (SPD), Bundesarbeitsminister / © Ralf Hirschberger ( dpa )

Fernsehköchin Sarah Wiener / © Patrick Pleul/dpa-Zentralbild (dpa)
Fernsehköchin Sarah Wiener / © Patrick Pleul/dpa-Zentralbild ( dpa )

Prof. Dr. Michael Rosenberger / © Rosenberger (privat)
Prof. Dr. Michael Rosenberger / © Rosenberger ( privat )
Quelle:
KNA