Not und Verzweiflung durch Zyklon und Covid-19

"Monstrum aus dem Meer"

Am Donnerstag fiel Zyklon Amphan über Teile von Indien und Bangladesch her. Mehr als 80 Menschen starben. Die schon durch die Corona-Hilfe strapazierten Hilfsorganisationen geraten an die Grenze ihrer Möglichkeiten.

Zyklon" Amphan" trifft auf Bangaldesch  / © XinHua (dpa)
Zyklon" Amphan" trifft auf Bangaldesch / © XinHua ( dpa )

"Das war ein Monstrum aus dem Meer wie in einem dieser Apokalypsefilme aus Hollywood", sagt Priester Franklin Menezes. "Amphan war hundertmal schlimmer als Zyklon Aila 2009. Ich war alleine in meinem Zimmer und habe den Rosenkranz gebetet", erzählt der 68 Jahre alte Leiter der Seva Kendra (Caritas) der Erzdiözese Kalkutta, der in seinem Leben so manchen Zyklon erlebt hat.

Aufgrund ihrer geografischen Lage in einem Delta, in dem hunderte große und kleine Flüsse und Bäche in den Golf von Bengalen strömen, werden Teile der zu Indien und Bangladesch gehörenden tief liegenden Region Bengalen immer wieder Opfer von Zyklonen.

Situation in Indien auch zwei Tage danach katastrophal

Videos in Sozialen Netzwerken zeigen noch furchterregender die Gewalt Amphans. Bäume, Ampeln, Strommasten knickten um wie nichts. Dachabdeckungen großer Gebäude flogen durch die Luft. Mehrachsige Lastwagen wurden umgeweht wie Spielzeugautos. Die Situation in Kalkutta ist auch zwei Tage nach dem Zyklon katastrophal. Ganze Straßenzüge stehen unter Wasser, in vielen Stadtteilen ist die Stromversorgung noch nicht wieder repariert. Tausende Menschen harren in den Evakuierungszentren aus.

Im Bistum Balasore in Westbengalens Nachbaarstaat Odisha ist auf den ersten Blick schon wieder eine Art Alltag eingekehrt. "Wir haben 40.000 Menschen vor dem Sturm evakuiert. Von denen sind viele schon wieder zurück in ihren Häusern", berichtet Lijo George telefonisch aus Balasore.

Zwar seien viele Häuser beschädigt worden, aber die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus in den überfüllten Evakuierungszentren habe viele Menschen motiviert, diese so schnell wie möglich wieder zu verlassen, so der Leiter der örtlichen Caritas.

Ganze Ernten in Bangladesch sind vernichtet

Jenseits der Grenze in Bangladesch bietet sich in den Distrikten Khulna, Satkhira und Noakhali ein ähnlich verheerendes Bild. Weite Teile stehen unter Wasser, Deiche sind gebrochen, 220.000 Häuser wurden beschädigt, Tausende der 250.000 evakuierten Menschen befinden sich noch in den Evakuierungszentren.

Wie im indischen Odisha hat auch in Bangladesch die Landwirtschaft den schwersten Schaden davongetragen. Ganze Ernten wurden vernichtet. "Gott sei Dank war die Reisernte eine Woche vor dem Zyklon abgeschlossen", sagt Jibon D. Das, Leiter des katholischen Hilfswerks Caritas in Khulna. "Aber die Ernte der Gemüsebauern und auch 70 Prozent der Fischereibetriebe sind vernichtet."

Die materiellen Zyklonschäden in Kalkutta, Balasore und Khulna mögen graduell verschieden sein, die sozialen und wirtschaftlichen sind jedoch gleich. In allen drei Regionen versorgen die Caritas-Organisationen Tausende Familien mit Lebensmitteln, sauberem Wasser, Gesichtsmasken, Seife und Desinfektionsmittel.

Caritas vor Ort bittet dringend um Spenden 

Unisono klagen Menezes, George und Das, dass sie die Grenzen ihrer Hilfsmöglichkeiten erreicht haben. "Wir haben ja schon in den letzten zwei Monaten während des Corona-Lockdown die Armen mit Hilfsgütern unterstützt." Und: "Wir bitten dringend Menschen in Deutschland und anderen Ländern um Spenden."

Der eindringliche Spendenaufruf verhallt nicht ungehört. Hilfsorganisationen wie Misereor, Malteser International und Caritas international haben Zehntausende Euro als Soforthilfe bereitgestellt. Benötigt werden vor allem Lebensmittel, sauberes Trinkwasser, Hygiene-Artikel sowie Werkzeug und Material für die Reparatur der vom Sturm beschädigten Häuser.

Noch ist das gesamte Ausmaß der Schäden nicht abzusehen. Doch schon jetzt ist klar, dass Zehntausende Menschen auf langfristige Unterstützung angewiesen sein werden. Viele hatten schon durch den Corona-Lockdown Arbeit und Einkommen verloren, und die Aussicht auf Rückkehr in Lohn und Brot ist in den Fluten von Amphan untergegangen. Wie groß Not und Verzweiflung sind, weiß Das in Khulna: "Viele Menschen haben schon ihre Arbeitskraft für ein Jahr im voraus verkauft, um jetzt über die Runden zu kommen."

Von Michael Lenz


Quelle:
KNA