Caritas-Präsident Peter Neher zur Jahreskampagne 2020

"Die Gesellschaft hat gute Menschen dringend nötig"

Wer andere "Gutmenschen" nennt, meint das gewöhnlich abwertend. Gegen diese Diffamierung wendet sich die Caritas-Kampagne 2020. Gutes tun dürfe nicht missbraucht und abgewertet werden, betont Caritas-Präsident Peter Neher.

Caritas-Kampagne 2020: Aufruf zur Solidarität / © Pixel-Shot (shutterstock)
Caritas-Kampagne 2020: Aufruf zur Solidarität / © Pixel-Shot ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Soll der Titel der Kampagne eine explizite Provokation sein an alle, die für Hilfsbereitschaft und Toleranz nur Häme übrig haben?

Peter Neher (Präsident des Deutschen Caritasverbands): Ja, es ist schon ein bewusstes Aufgreifen dieses Begriffs, weil wir ihn nicht denen überlassen wollen, die den Begriff schlechtmachen und die Menschen, die Gutes tun, verächtlich machen wollen. Wir wollen deutlich machen, dass unsere Gesellschaft genau von guten Menschen abhängt und sie dringend nötig hat.

DOMRADIO.DE: Was sagt das denn eigentlich über eine Gesellschaft aus, wenn man Menschen, die sich für Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit einsetzen, mit einem solchen Begriff aburteilt?

Neher: Ich denke, es ist eine Entschuldigung dafür, dass ich mich selber in diesem Thema nicht engagieren will. Der Begriff wird als Kampf-Begriff benutzt, um andere, die sich in bestimmten Themenfeldern engagieren, schlecht zu machen. Insofern wird eigentlich "Gutes tun" missbraucht und abgewertet.

DOMRADIO.DE: Wenn ich Sie jetzt frage: "Was ist denn für Sie persönlich ein Gutmensch", was würden Sie antworten?

Neher: Ich würde fragen: "Was ist ein guter Mensch?" Ein guter Mensch ist jemand, der einen Blick für Andere hat, der Nöte wahrnimmt, der Bedürfnisse Anderer erkennt und sich selber nicht zu schade ist, einzuspringen und mitzuhelfen, dass Menschlichkeit und ein vertrauensvolles Miteinander in der Gesellschaft möglich werden.

DOMRADIO.DE: Die häufige missbräuchliche Verwendung des Begriffs durch Populisten hat diese negative Konnotation des Gutmenschen erst möglich gemacht. Hoffen Sie, dass Sie mit Ihrer Kampagne wenigstens ein bisschen gegensteuern können?

Neher: Das ist jedenfalls unsere Absicht, ein Stück dagegenzusteuern - mindestens eine Nachdenklichkeit zu erreichen. Dass wir jemanden, der diesen Begriff einfach so als Kampfbegriff nutzt, zum Innehalten bewegen und ihn erinnern: "Weißt du eigentlich, was du damit machst? Dass du eigentlich "Gutes tun" in einen negativen Zusammenhang bringst?" Das wiederum kann ja nicht das Ziel eines Menschen sein. Denn ich denke, im Grunde will ja jeder Mensch gut sein und Gutes tun.

DOMRADIO.DE: Welche konkreten Forderungen verbinden Sie mit Ihrer Kampagne?

Neher: Zum einen haben wir die Forderung, dass das ehrenamtliche Engagement gestärkt wird, gerade auch die Freiwilligendienste. Wir fordern beispielsweise, dass jemand, der den Freiwilligendienst ausübt, kostenlos den öffentlichen Personennahverkehr nutzen kann oder ein Taschengeld von 400 Euro bekommt. Und wir wollen auch, dass die Einrichtungen, die für Freiwilligendienste bereit sind, entsprechende Förderung erhalten. Hartz IV-Empfängerinnen und -Empfängern sollte außerdem die Aufwandsentschädigung, die sie möglicherweise für ein freiwilliges Engagement erhalten, nicht als Einnahme verrechnet werden. Und insgesamt wollen wir natürlich, dass soziales Engagement wertgeschätzt und honoriert wird.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn in diesem Jahr 2020 besondere Möglichkeiten, die Sie vom Caritasverband Menschen bieten, gut zu sein?

Neher: Ich denke, wir bieten jeden Tag viele Möglichkeiten, sei es für die vielen beruflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Pflege, der Altenhilfe, im Krankenhaus oder die vielfältigen Dienste im Bereich des Ehrenamtes - etwa in der Migration, im Kranken-Besuchsdienst oder in der Unterstützung als Paten für Jugendliche, die sich in der Schule schwertun. Ich glaube, da gibt es ein breites Spektrum, in dem man sich sehr gut engagieren und gleichzeitig auch selber Spaß daran haben kann. 

Das Interview führte Hilde Regeniter. 

Peter Neher

Peter Neher wurde 1955 in Pfronten-Ried im Allgäu geboren und wuchs auf dem Dorf in der Nähe von Memmingen auf. Er absolvierte zunächst eine Banklehre und den Wehrdienst, bevor er auf dem zweiten Bildungsweg Theologie studierte. 1983 wurde er zum katholischen Priester geweiht. Er arbeitete als Kaplan in Landsberg, war Krankenhaus-Seelsorger in Günzburg, wurde Pfarrer in Kempten und war in Augsburg in der Fortbildung von Priestern tätig. Seine Doktorarbeit schrieb er über christliche Sterbebegleitung.

Peter Neher (dpa)
Peter Neher / ( dpa )
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DR