Initiative "Görlitz bleibt bunt" über Bürgermeister-Stichwahl

"Gefühl des Abgehängtseins abbauen"

Aus Sorge vor einem AfD-Bürgermeister in der Stadt entstand spontan das Bündnis "Görlitz bleibt bunt". Aber auch nach der Stichwahl, die der CDU-Kandidat für sich entschied, will sich die Initiative mit christlicher Beteiligung weiter engagieren.

Schild mit der Aufschrift "Görlitz" und einen Herz in der Innenstadt / © Sebastian Kahnert (dpa)
Schild mit der Aufschrift "Görlitz" und einen Herz in der Innenstadt / © Sebastian Kahnert ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die östlichste Stadt Deutschlands bekommt einen Christdemokraten als Oberbürgermeister. CDU-Kandidat Octavian Ursu setzte sich am Sonntag in einer Stichwahl mit 55,2 zu 44,8 Prozent gegen den AfD-Bewerber Sebastian Wippel durch. Waren Sie über den Wahlausgang erleichtert?

Daniel Preißler (Katholischer Kita-Leiter und Gründer der Initiative "Görlitz bleibt bunt"): Ja, das kann man klar sagen. Die Zahlen waren ja doch sehr lange sehr dicht beieinander. Es war klar, dass die Briefwähler noch einmal das Zünglein an der Waage sein werden würden. Es war gut zu wissen, auch relativ zeitig, dass Herr Ursu dann doch gewonnen hat.

DOMRADIO.DE: Vor drei Wochen bekam AfD-Kandidat Sebastian Wippel die meisten Stimmen. Wie war da Ihre Reaktion?

Preißler: Das war erschreckend, da die Prognosen erst einmal anders ausgesehen hatten und sich Herr Ursu demnach auf Augenhöhe befand. Das Bündnis für Franziska Schubert, die für die Grünen kandidiert hat, hatte auch sehr gute Zahlen in der Vorhersage, sodass man dachte, dass das wesentlich knapper werden würde. Von daher war der Ausgang der ersten Wahlnacht dann doch sehr ernüchternd und zum Teil erschreckend.

DOMRADIO.DE: Sie haben sich gedacht: "Das kann so nicht bleiben, wir wollen keinen AfD-Mann an der Spitze". Und dann?

Preißler: Ich hatte dann die Idee, dass wir vor allen Dingen auch den Medien zeigen müssen, dass es viel Buntes in Görlitz gibt und dass wir auf die Straße gehen müssen. Es war aber in der kurzen Zeit nicht zu realisieren, und so hatte ich die Idee, ein Bündnis zu gründen, das frei von Parteien und kirchlichen Lenkungen ist, sondern alle Menschen einlädt, die sagen: Wir wollen zeigen, dass wir hier eine demokratische Vielfalt haben wollen. Das Bündnis sollte diese Menschen zusammenbringen.

DOMRADIO.DE: In Görlitz ist die Kriminalitätsrate sehr hoch. Der AfD-Kandidat ist Polizeikommissar. So ganz verwunderlich ist der Zuspruch für ihn nicht. Oder warum bekommt er so viele Stimmen?

Preißler: Das Thema Sicherheit spielt natürlich eine große Rolle. Auch die Frage, wie man die Zahlen auslegt. Eigentlich sind sie seit 2008 rückläufig, dennoch im Bundesdurchschnitt sehr hoch. Das ist sicherlich ein Fakt. Auch das Gefühl abgehängt zu sein spielt bei den Menschen, die seit der Wende hier geblieben sind und mitbekommen haben, wie versucht wurde, Görlitz wieder zur Blüte zu treiben, sicherlich eine starke Rolle. Jemand, der bei der Polizei tätig ist, gewichtet, wenn er Zahlen auslegt und sagt: Wir sind hier unsicher, das liegt an der Grenze und deswegen muss man sich abschotten.

DOMRADIO.DE: Welche Reaktionen gab es denn auf Ihre "Görlitz bleibt bunt"-Initiative? Ist es manchen nicht zu bunt?

Preißler: Ja, ohne Frage. Wir hatten einen relativ schnellen, positiven Zuspruch gehabt, uns gibt es ja erst seit dem ersten Wahlgang seit zweieinhalb Wochen. Allerdings gab es immer wieder unterschwellig - vor allem in den sozialen Medien - den Hinweis, das Bündnis habe sich nur gegründet, um der AfD die Kante zu zeigen. Das war eigentlich nicht unser Ansinnen. Wir wollten zeigen, wieviel Buntes und Unterschiedliches es gibt, und die Menschen ermutigen, wählen zu gehen und für die Demokratie ihre Stimme abzugeben.

DOMRADIO.DE: Görlitz ist jetzt im Grunde zweigeteilt in AfD-Befürworter und -Gegner. Wie kriegt man jetzt diese gespaltene Stadt wieder zusammen?

Preißler: Das wird die große Aufgabe sein. Ich glaube, es gab in der Vergangenheit viele Kommunikationsschwierigkeiten. Man hat sich auf die Menschen konzentriert, bei denen man große Chancen hat, Stimmen zu bekommen. Aber wenn man aus der Innenstadt heraus in die Außenbezirke von Görlitz geht, muss man ganz klar Aktionen planen. Das ist das, was unser Bündnis auch machen möchte, zu den Menschen gehen, zum Gespräch einladen und schauen, wie man diese Bereiche wieder integrieren kann, damit dieses Gefühl des Abgehängtseins weniger wird.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Sebastian Wippel (l./AfD) gratuliert Octavian Ursu (CDU) / © Sebastian Kahnert (dpa)
Sebastian Wippel (l./AfD) gratuliert Octavian Ursu (CDU) / © Sebastian Kahnert ( dpa )

Blick durch einen Torbogen über den Untermarkt auf den Rathausturm von Görlitz / ©  Sebastian Kahnert (dpa)
Blick durch einen Torbogen über den Untermarkt auf den Rathausturm von Görlitz / © Sebastian Kahnert ( dpa )
Quelle:
DR
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