Caritas im Erzbistum Berlin zur Diskussion um Enteignungen

"Ruf nach Enteignungen ein Hilfeschrei"

Wohnraum ist knapp und wird immer teurer - vor allem in Großstädten. In Berlin hat eine Initiative jetzt ein Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne gestartet. Der dortige Caritasverband hält das für den falschen Weg. 

 (DR)

DOMRADIO.DE: Können Sie uns die Wohnungssituation in Berlin anhand eines konkreten Beispiels erklären?

Prof. Dr. Ulrike Kostka (Diözesancaritasdirektorin und Vorstandsvorsitzende des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin): Wenn Sie eine junge Familie sind mit zwei Kindern und ein geringes Einkommen haben, ist es unendlich schwer, eine Wohnung zu finden. Selbst eine Krankenschwester hat es schwer. Die Mieten sind extrem gestiegen, und viele Menschen verlieren ihre Wohnung auch.

DOMRADIO.DE: Jetzt werden seit dem Wochenende Unterschriften gesammelt für ein Volksbegehren, das große Wohnungsbaugesellschaften enteignen will, um den Wohnungsmarkt zu entlasten. Würden Sie da auch unterschreiben?

Kostka: Ich würde nicht unterschreiben, weil ich das für einen schwierigen Weg halte. Sicherlich ist es wichtig, dass wir mehr Wohnraum haben, der gemeinwohlorientiert ist und den vielleicht auch das Land Berlin zurückkauft. Aber Enteignung halte ich für den falschen Weg.

DOMRADIO.DE: Jetzt heißt es ja: Eigentum verpflichtet. Wenn aber für Investoren nur noch die Rendite wichtig ist und die Politik offenbar unfähig ist, das zu korrigieren, ist so eine Forderung nach Enteignung vielleicht doch legitim - zumal das Grundgesetz ja eine Ausnahme vorsieht und Juristen die Ausnahmen auch als gerechtfertigt ansehen.

Kostka: Die Forderung kann ich durchaus nachvollziehen. Es ist für mich eigentlich mehr ein Hilfeschrei. Aber Enteignung ist für mich eigentlich nur das letzte Mittel. Vorher müsste man noch probieren, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt und auch Anreize, dass wirklich privatwirtschaftliche Konzerne vernünftige Mieten zur Verfügung stellen.

Enteignung - das erinnert mich an andere Zeiten und ich halte das nicht für das richtige Mittel. Rückkauf ist eine andere Geschichte. Das wäre legitim. Aber Enteignung finde ich problematisch, ist auch ein schwieriges Zeichen für andere Unternehmen.

DOMRADIO.DE: Aber wenn reden und fordern nicht hilft, was soll stattdessen geschehen?

Kostka: Man muss alles dafür tun, dass Mieten sich vernünftig entwickeln. Rückkauf wäre ja auch eine Variante - das ist nicht enteignen. Und letztendlich muss man auch bei der Enteignung den entsprechenden Preis zahlen. Enteignen - finde ich - ist ein Übergriff. Das halte ich nicht für das richtige Mittel. 

Das Interview führte Tobias Fricke.

 


Quelle:
DR