Psychologe über aktuellen Glücksreport

Glück braucht kein Geld

Wie glücklich sind wir Deutschen? Im aktuellen Glücksreport steht Deutschland nur auf Platz 17. Was fehlt uns und wie können wir unser Glück finden? Neugierde ist eine Antwort von dem Psychologen und Buchautoren Dr. Wolfgang Krüger.

Beim Glücksreport steht Deutschland nur auf Platz 17 / © Martin Gerten (dpa)
Beim Glücksreport steht Deutschland nur auf Platz 17 / © Martin Gerten ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wir leben in einem Land, mit dem wir eigentlich an die Spitze des Glücksreport gehören. Warum befinden wir uns dann nur auf Platz 17, uns geht es doch gut?

Dr. Wolfgang Krüger (Psychologe und Buchautor): Geld alleine macht nicht glücklich. Sigmund Freud hat einmal gemeint: Das Glück hängt immer mit Kinderwünschen zusammen. Das heißt, es hängt vor allem mit sozialer Geborgenheit zusammen. Wir haben mit Finnland, Schweden oder Dänemark Länder, in denen man sich sehr um das soziale Miteinander kümmert, also dass möglichst wenig Neid und soziale Spannungen entstehen. In den Umfragen sagen die Leute dann, dass sie im Grunde glücklicher sind.

DOMRADIO.DE: Das heißt, wir haben noch deutlich Nachholbedarf und können uns so auch an Finnland orientieren?

Krüger: Wir haben in Deutschland einen extremen Nachholbedarf. Wir haben zwar eine wunderbare starke Wirtschaftsmacht, aber ich beklage immer, dass wir viel zu wenig Nachbarschaft haben, wir haben zu wenig Neugierde, die Menschen in unserer Nachbarschaft kennenzulernen. Wir haben ein ungenutztes Potenzial was Freundschaften betrifft. Wir Deutschen sind vom Kern her etwas vorsichtig und ein klein wenig misstrauisch. Es gibt andere Länder, in denen man sehr viel offener ist was die Beziehung zu den Menschen angeht, die einen umgeben.

DOMRADIO.DE: Wie können wir das denn bei uns verändern?

Krüger: Neugierig werden, die Umwelt als Bereicherung empfinden und nicht als Gefahr. Wenn ich zum Beispiel in einem großen Mietshaus wohne, einfach einmal die Nachbarn kennenlernen. Ich habe, als ich eingezogen bin, ein Blech Pizza für die Nachbarn gebacken und habe mich vorgestellt. Wir haben hier eine Hausgemeinschaft, die viel miteinander macht, wie Adventssingen oder wenn ich Geburtstag habe, lade ich alle zum Geburtstag ein. Das heißt, ich empfinde auch wenn ich nicht mit jedem gut klarkomme, meine Umwelt, in der ich lebe, als eine Bereicherung.

DOMRADIO.DE: Sind folglich viele Deutsche viel zu egoistisch?

Krüger: Wir sind vorsichtig. Die meisten Deutschen sind ungeheuer hilfsbereit, da liegen wirklich Potenziale, wir sind da, wenn es drauf ankommt, wenn es notwendig ist, wir sind schon sehr gutmütig, aber wir machen meistens den ersten Schritt nicht. Wir gehen viel zu wenig auf andere zu. Da liegt ein ungenutztes Potenzial und der Grad von Menschen, die bei uns potenziell gelegentlich einsam sind, die eher etwas zurückgezogen leben – und der ist in Deutschland sehr viel größer als in den nordischen Ländern.

DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist die Zufriedenheit?

Krüger: Wir haben zwei Knackpunkte im Leben: Das eine ist Unzufriedenheit und das andere ist die Einsamkeit. Ich brauche diese inneren Bindungsfäden, dass, auch wenn ich mal alleine bin, ich das Gefühl habe, ich bin mit der Welt irgendwo verbunden, ich bin im Kontakt und das haben wir zu wenig in Deutschland. Wir brauchen mehr das Gefühl eines sozialen Dorfes, in dem ich mit den Leuten mehr Kontakt habe, also nicht nur die Liebesbeziehung und nicht nur die wenigen Freundschaften, die ich habe, sondern insgesamt, dass ich das Gefühl habe, ich schwimme in sozialen Kontakten.

DOMRADIO.DE: Also eigentlich stimmt ja das Umfeld bei uns in Deutschland, aber warum fehlt es offenbar doch vielen Menschen schwer, zufrieden zu sein?

Krüger: Wir haben Geld, wir haben ein Vermögen. Die meisten sind jedenfalls einigermaßen abgesichert. Aber wenn Sie einmal die Geschichte vom Zweiten Weltkrieg an in Deutschland sehen, dann haben die Deutschen eine Konsequenz aus all dem gezogen; nämlich, dass man vorsichtig ist und sich zurückhält. Wir verbarrikadieren uns ein wenig zu sehr und es fehlt die Neugierde und Aufgeschlossenheit. Da müssten wir im Grunde mehr sozialen Zusammenhalt lernen.

DOMRADIO.DE: Was tun Sie persönlich, um glücklich zu sein?

Krüger: Ich bin verheiratet und führe eine gute Ehe. Ich weiß, wie Liebe funktioniert. Ich habe viele Freundschaften, bin hier bei uns im Bezirk in vielem engagiert. Ich bin in einer Laubenkolonie der Schatzmeister, ich mache bei einer Flüchtlingsinitiative mit. Ich habe das Gefühl, irgendwo mitzuwirken, dass die Welt besser und ich gehöre einer großen interessanten Nachbarschaft an. Da bin ich jedes Mal neugierig, wieder andere Menschen kennenzulernen.

Das Gespräch führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR